published 21.11. 2020


Bild: private

Die Gegenwart ist geprägt von „Fake News“, wo man uns durch geschickte Rhetorik in die Irre führen will. Es bleibt aber nicht aus, dass so mancher dabei dem eigenen Trug auf den Leim geht. Personen, die weder sich noch anderen etwas vormachen, sind heute in Politik und Wirtschaft selten.  Von genauso einem Mann aber, und den Erfolgen seiner Integrität, handelt das „Tagebuch eines Magiers“. Es öffnet den Blick hinter die Kulissen von big Business und in die Seele des Magiers selbst. Es geht um wahre Geschichten aus den vergangenen 25 Jahren, auch wenn Sie vielleicht manches nicht für möglich halten.

Unten nun ein kurzer Einblick in das Buch und hier bekommen Sie das ganze Werk.


(… ein paar Seiten aus dem Projekt „Piroska“, wo der Magier alles zeigen musste, aber letztlich Erfolg hatte.)

Der Stall des Augias

Sein Schicksal führte Herkules zu einem König namens Augias, der weit und breit der reichste war. Ihm gehörte das Land Elis, im westlichen Peleponnes gelegen. Sein Vermögen umfasste unter anderem 3000 Rindern, die sich prächtiger Gesundheit erfreuten, obwohl sie in einem Stall lebten, der seit dreißig Jahren nicht gereinigt worden war. Es war nun an Herkules, diesen Stall zu säubern. Mit Hilfe einer kleinen Kopfrechnung konnte er leicht abschätzen, welches Arbeitspaket hier auf ihn zukam: 3000 Rinder × 30 Jahre × 365 Tage × … Es war eine unvorstellbare Menge an Mist und Jauche, um die es sich hier handelte, die auf konventionellem Wege kaum zu beseitigen war. Und ein Detail blieb bisher noch unerwähnt: Die Aufgabe musste innerhalb von 24 Stunden abgeschlossen sein; das machte die Sache nicht einfacher.

Wie ist das Projekt nun ausgegangen? Wir werden zu gegebener Zeit darauf zurückkommen. Das Land Elis gibt es auf jeden Fall noch heute, allerdings ist es jetzt eine griechische Provinz mit 160.000 Einwohnern. Die Zahl der Rinder ist unbekannt. Gut 1000 Kilometer nördlich von Elis liegt Budapest, Standort der Piroska Inc.

Es war 7:00 Uhr morgens, mein erster Tag im neuen Job. Am Empfang begrüßte mich die Sekretärin, die für mich bestimmt worden war und die mir verriet, dass die Manager erst später kämen. Das gab mir Zeit, mich auf den operativen Ebenen der Firma umzusehen, sowohl personell als auch räumlich. Ich ging in die nächste Werkhalle, deren Tür offenstand.

Es kam mir vor, als wäre ich in einen Horrorfilm gestolpert, dessen Zusammenhänge und Handlung ich nicht erkennen konnte, da ich den Anfang verpasst hatte. Zunächst war da ein brutaler Lärm. Ich brauchte Zeit um herauszufinden, was die Ursache war. Der weite Raum war gefüllt mit Menschen, die laut und grob redeten. Sie standen in Gruppen oder einzeln. Es war für mich nicht erkennbar, ob auch Menschen zuhörten, ob es Gespräche gab oder ob nur Laute geäußert wurden. Nach ein paar Minuten begann ich, die eine oder andere Silbe aus dem Krach zu identifizieren.

Dank meines ungarischen Großvaters väterlicherseits konnte ich manches sogar verstehen. So wurde mir klar, dass die Mehrzahl der wahrgenommenen Wortfetzen zu Schimpfworten gehörte. Ob diese an andere Personen gerichtet oder nur spontane Äußerungen des Unmuts waren, konnte ich nicht erkennen. Eines war sicher: Mir galten sie nicht.

Denn das Erstaunlichste an der Situation war, dass niemand in dieser Halle, weder Mann noch Frau, die geringste Notiz von mir nahm. Dabei musste ich unter diesen Hunderten Gestalten in undefinierbaren Kitteln oder abgetragener Straßenkleidung eigentlich auffallen wie ein Pinguin im Hühnerstall. Ich trug einen gepflegten Anzug mit Hemd und Krawatte, so wie immer. Aber ich streifte wie durch ein Heer von Federvieh, ohne dessen Gackern und Flattern im Geringsten zu beeinträchtigen.

 

Ein surrealistischer Film

Endlich fand ich in dieser Unwirklichkeit einen ersten gemeinsamen Nenner: Dreck. Der ganze Raum war ein einziger Mülleimer. Der Boden war übersät mit Zigarettenkippen und leeren Pappbechern, auf Maschinen lagen ölverschmierte Lumpen und auch hier die allgegenwärtigen Pappbecher, aus denen noch ein Rest Kaffee verschüttet war.

An einem Treppenabsatz auf dem Weg in die nächsthöhere Etage erkannte ich endlich die Quelle der Pappbecher: ein Kaffeeautomat, umringt von noch mehr rauchenden, fluchenden und trinkenden Menschen. Tatsächlich war es im Treppenhaus noch gedrängter als in der Werkhalle. Ich fragte nach den Managern; für Logistik, Qualitätssicherung, Instandhaltung, alles Personen die in solch einer Arbeitsumgebung anwesend sein müssten. Man antwortete, knapp und emotionslos, dass die später kämen. Ihre Büros waren tatsächlich noch leer.

Immerhin, der Kaffeeautomat mit seiner Funktionalität als unerschöpflicher Quelle von Bechern und Heißgetränk hatte mich einen Schritt in die Realität zurückgeholt. Ich dehnte meine Erkundung auf andere Räumlichkeiten aus und entdeckte eine weitere Corporate Identity von Piroska, neben dem Dreck: Es gab keine einzige geschlossene Tür. Auch die Zugänge nach draußen, zum umgebenden Grundstück waren offen und ich konnte sehen, wie die Fertigware – Motorverkleidungen für die eleganten Fahrzeuge der verschiedenen Nobelmarken – friedlich im Oktoberregen lag und wie sich in den Vertiefungen der Teile kleine Pfützen gebildet hatten.

Inzwischen war es 8:00 Uhr geworden und von den Vorgesetzten noch immer keine Spur. So setzte ich meine Expedition fort. Durch weitere offene Türen und durch menschenleere Räume gelangte ich schließlich an einen Ort, der allen Anzeichen nach eine Damentoilette war. Auch hier die Türen offen, die Brille der Installation lag auf dem Boden, auf dem auch größere Mengen menschlicher Exkremente zu finden waren. Ich bringe zwar wenig Erfahrung in Sachen Damentoiletten mit, unterstelle aber, dass die nicht überall so aussehen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass bei Piroska auch fahrendes Volk vom ungarischen Land arbeitete, das mit einer anderen sanitären Infrastruktur aufgewachsen ist.

Angrenzend waren Umkleideräume. Die Tradition der offenen Türen setzte sich hier fort. Und wenn für einen Spind kein Schlüssel zur Hand war, dann wurde der mit einem Fußtritt geöffnet, den die Tür nicht mehr vergessen hat. In der Umkleide der Herren übrigens, ein paar Türen weiter, herrschte fröhliches Treiben. Halbbekleidete Männer spielten Karten und waren guter Dinge, obwohl sie zwischen Bergen aus Schmutz und Unrat saßen.

Wozu im alten Griechenland, im Reich des Königs Augias, 3000 Rinder dreißig Jahre gebraucht hatten, das war bei Piroska Inc. 300 Menschen in drei Jahren gelungen.

 

Die Zigarette

Es war inzwischen Freitag, mein dritter Tag im Werk. Der sollte nun den erwähnten Themen Ordnung, Disziplin und Sauberkeit gewidmet sein. Bei Piroska wurde in drei Schichten gearbeitet. Meine erste Belehrung um 14:00 Uhr galt den versammelten Arbeitern der Früh und Spätschichten, die zweite richtete sich um 20:00 Uhr an die Nachtschicht.

Meine Ansprache war in Deutsch und ich nahm einen Dolmetscher zu Hilfe. Es wäre wohl auch auf Ungarisch gegangen, aber ich hätte dann grammatikalische Fehler gemacht wie ein Achtjähriger. Die Folge davon wäre gewesen, dass mich meine Zuhörer in ihrem Unterbewusstsein als Kind erlebt und nicht ernst genommen hätten. Das war das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte!

Ich machte also mehr als deutlich, dass die aktuelle Unordnung nicht länger akzeptiert würde und dass jegliche Disziplinlosigkeit arbeitsrechtliche Konsequenzen hätte.

Ich verlas eine Liste von Missetaten, welche sofortige Kündigung und Hausverbot zur Folge hätten: das Entfernen vom Arbeitsplatz, das Rauchen außerhalb des Pausenraumes, das Aufsuchen der Umkleideräume ohne Genehmigung des Schichtleiters, das Tragen von iPods und noch einiges andere. Ich hatte den Eindruck, dass die Menschen bei Piroska noch nie so etwas gehört hatten. Man folgte meinen Ausführungen total emotionslos, so wie ich das aus jenem surrealistischen Rundgang durch die Firma bereits kannte.

Es gab weder Fragen noch Proteste. Eine Atmosphäre von Ungläubigkeit und Entsetzen hatte sich ausgebreitet. Das bestärkte mich darin, dass meinen deutlichen Worten noch deutlichere Taten folgen mussten. Der Belegschaft war eine starke und bittere Medizin in hoher Dosis verabreicht worden und es war wichtig, dass sie die auch schlucken würde.

Gegen 23:00 Uhr in dieser Nacht mache ich einen Rundgang, zunächst ums Gebäude. Ich will sehen, welche Wirkung meine Rede auf die Nachtschicht gehabt hätte. Da glimmt in der Ferne ein orangerotes Licht auf, mal stärker, mal schwächer. Was könnte das wohl sein? Ist es ein fernes Leuchtfeuer, das Schiffe in Küstennähe vor Untiefen und Felsen warnt? Vielleicht ein verirrtes Glühwürmchen? All das ist wenig plausibel. Ich gehe der Sache auf den Grund. Ich schleiche mich in der totalen Finsternis an die magische Glut und erkenne das Unglaubliche: Das Glimmen gehört zu einer Zigarette und die Zigarette gehört zu einem Mitarbeiter der Instandhaltung.

Ich frage ihn, ob er weiß, dass Rauchen auf dem Firmengelände ein Kündigungsgrund ist. Ich tat das auf Ungarisch, was ihn sichtlich erschreckte. „Mach ich bestimmt nicht wieder; so eine Zigarette ist doch nichts Schlimmes.“ Ich erkläre ihm, es käme darauf an, wann und wo man seine Zigarette raucht und dass er entlassen sei. Ich nehme ihm die Schlüssel zum Maschinenraum ab, begleite ihn in die Umkleide, damit er seine Klamotten holt, dann geht’s zur Pforte mit der Botschaft, dass der Mann ab sofort Hausverbot habe. Auf der Straße zündet er sich eine Zigarette an und verschwindet schließlich im nächtlichen Dunkel.

Ich fühle mich wie Garry Cooper in High Noon. Meine Haltung ist aufrecht, mein Schritt ist ruhig, meinem Auge entgeht nichts. Und so setze ich die Patrouille fort.

Schon erwische ich einen anderen, der in einer dunklen Ecke der Halle qualmt. Auch für ihn ist es der letzte Tag in der Firma. Ein Mitarbeiter der Reinigungsfirma wird beim Klauen ertappt: Hausverbot, sofort. Zwei Frauen prügeln sich am Arbeitsplatz, Männer spielen Karten in der Umkleide, drei weigern sich zu arbeiten: Ich bin unerbittlich. Von Freitag bis Sonntagabend gibt es insgesamt 15 Entlassungen.

Es war die Hölle, aber es hat Spaß gemacht.


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