published 10.10.2020

Bild: https://unsplash.com/@oliverpbeagle

Churchill wird das Bonmot zugeschrieben: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!“ Wer auch immer das gesagt hat, es ist bestimmt ein kluger Ratschlag und er ist aktueller denn je. Seit Monaten werden wir ja mit alarmierenden Statistiken in Sachen Corona konfrontiert. Wie glaubhaft sind die? Dazu ein Fallbeispiel aus einem anderen Metier. 


Amtsperson mit vier Beinen

Darf man sagen, dass es eine Rasse gibt, deren Angehörige hinsichtlich Anmut und Intelligenz dem Rest der Spezies überlegen sind? Wenn es so offensichtlich ist wie in diesem Fall, dann muss das erlaubt sein. Die Rede ist vom Beagle, dem sympathischen Vierbeiner mit den Schlappohren.

Man trifft ihn ja nicht nur beim Spaziergang im Park, sondern auch an Flughäfen, wo er in wichtiger Mission unterwegs ist: im Kampf gegen Drogen. Oft trägt er dann eine Uniformjacke, die deutlich macht, dass es sich hier nicht um einen streunenden Straßenhund handelt, sondern um eine Amtsperson.

Sein Job ist es, ankommende Gepäckstücke auf verbotene Substanzen zu überprüfen und seinen Befund dann einem Assistenten zu diktieren, den er an der Leine mit sich führt. Dabei ist er äußerst treffsicher, aber unfehlbar ist auch er nicht. Es kann vorkommen, dass er einen harmlosen Kinderrucksack massiv anbellt, eine Sporttasche voller Hasch aber “übersieht”.

 

Nicht unfehlbar

Den ersten Typ Fehler nennen wir „falsch positiv = FP”, also wenn ein sauberes Gepäckstück fälschlich als Drogenkoffer identifiziert wird.  Der andere Fehler ist „falsch negativ = FN”, d.h. wenn er Gepäck mit Drogen als sauber durchwinkt.

Während seiner Ausbildung konnte unser Beagle, nennen wir ihn Bello, seine Fehlerquote drastisch reduzieren. Trotzdem passieren im Arbeitsalltag noch Patzer, und zwar durchschnittlich 20% vom Typ FN und 5% vom Typ FP. Welche Folgen hat das?

Nehmen wir an, die Zollbehörden wollen heute einfach mal Überblick über die statistische Häufigkeit von Drogenschmuggel gewinnen. Man will niemanden verhaften, aber eine Idee bekommen, wie ernst das Problem ist. Dazu lässt man Bello eine Ladung von 200 Koffern aus Gran Canaria untersuchen. Das Resultat: 15 mal schlägt er Alarm!

Was bedeutet das nun? Seine FN Quote ist ja 20%. Hat er bei 200 Koffern also 40 übersehen, die positiv sind? Und die 5% FP – hat er da 10 mal falsch gebellt, bei völlig harmlosen Taschen? Das muss man doch wissen, um eine seriöse Statistik aufstellen zu können.

 

Nichts einfacher als eine falsche Statistik

Bello hat bei den 200 Koffern also 15 mal gebellt. Ich habe für Sie ausgerechnet was das bedeutet: es sind vermutlich 6 Koffer mit Drogen dabei.

Mit seinen 20% FN hat er von den 6 Drogenkoffern einen übersehen; 5 mal aber hat er richtig gebellt. Und bei den verbleibenden 194 sauberen Koffern hat er versehentlich 10 mal gebellt, wegen seiner 5% FP.

5 mal richtig gebellt plus 10 mal falsch positiv gebellt ergibt insgesamt die erwähnten 15.

Das Ergebnis 6 ist aber dennoch äußerst unsicher, es ist keineswegs in Stein gemeißelt, es ist nur der wahrscheinlichste Wert. Auch 3 oder 10 wären durchaus möglich, wenn auch weniger wahrscheinlich als die 6.

Das ist natürlich furchtbar ungenau und Sie fordern vielleicht, Bello solle in Rente gehen, wenn seine Nase nichts taugt. Aber Halt! Ihr Urteil ist nur gerechtfertigt, wenn wir Bello für statistische Untersuchungen einsetzen. Für Einzelfälle ist sein Dienst Gold wert. Da würden jetzt nämlich die Besitzer der 5 positiven Koffer, die Bello richtig identifiziert hat, plus diejenigen der 10 sauberen Koffer, bei denen Bello sich irrte, zum Zoll gerufen, wo man deren Gepäck dann intensiver untersucht.

Die 10 sauberen Passagiere könnten ihre Reise nun unbehelligt fortsetzen, die fünf Ganoven aber würden die nächsten Tage und Nächte recht ungemütlich verbringen. Ja, und einer von ihnen, der wäre den Zöllnern durch die Lappen gegangen.

Für individuelle Untersuchungen also taugt Bello durchaus, nicht aber für statistische Aussagen. Die wären nur möglich, wenn der Prozentsatz der falsch positiven Befunde wesentlich kleiner wäre, als der Prozentsatz der Drogendealer unter den Passagieren. Das aber ist nicht der Fall.

Es könnte nun sein, dass die Zöllner die Drogensituation dramatisieren wollen, um mehr Geld von der Regierung zu bekommen. Dazu lassen sie durch Bello und seine Kollegen von Tag zu Tag  mehr Koffer untersuchen, um dann alarmierende Botschaften zu verbreiten: „Trauriger Rekord:  Drogenhunde identifizieren über tausend Gepäckstücke mit Rauschgift an einem Tag.“

 

Irrtum im Reagenzglas

Mit der Geschichte von Bello versuche ich Klarheit zur Interpretation der allgegenwärtigen Pandemie-Statistiken beizutragen, und zwar zu den rechnerisch – logischen Aspekten, nicht zu den klinischen.

Bei Corona gibt es ja ebenfalls das Problem der FP- und FN-Tests, welche die Untersuchungen verfälschen. Um das harmlos und unpolitisch darzustellen, habe ich die Problematik an einen anderen Schauplatz verlegt – die Mathematik bleibt die gleiche und lässt sich ohne medizinisches Fachwissen auf die Corona Welt übertragen. Wenn uns mitgeteilt wird, dass wieder Tausende positiv getestet wurden, dann darf diese Zahl nicht in die Welt gesetzt werden, ohne im gleichen Atemzug die Gesamtzahl der Tests zu nennen und die vermutete FP Quote. Alles andere wäre Irreführung.

 

Gott sei Dank

Für den Einzelfall aber macht auch bei Corona ein unsicherer Test durchaus Sinn. Der falsch positive „Patient“ wird dann eben zum Arzt gehen und von diesem, nach eingehender Untersuchung, als gesund nach Hause geschickt. Der echt Positive wird vom Arzt entsprechend versorgt oder ins Krankenhaus überwiesen. Ja, und der falsch Negative wird ein paar Tage später auch zum Arzt gehen, wenn ihn die Symptome dahin treiben.

Eine statistische Aussage, oder gar ein Testen der gesamten Bevölkerung wäre jedoch nur sinnvoll, wenn der Prozentsatz der Infizierten deutlich über dem Prozentsatz der falsch positiven Tests läge. Und das ist nicht der Fall – Gott sei Dank.

Hier aber eine einfache Statistik, auf die man sich verlassen kann: die durchschnittliche Lebensdauer eines Menschen in unseren Breiten beträgt rund 80 Jahre, und das sind rund 1000 Monate. Das ist eine gute Nachricht. Daraus folgt, dass jeden Monat durchschnittlich ein Tausendstel der Bevölkerung stirbt. Das ist die schlechte Nachricht.

Seit Anfang März, also seit rund 7,5 Monaten, sind in Deutschland demnach statistisch rund

7,5 x 83.000.000 / 1000 = 622.500 Personen verstorben.

Gemäß Wikipedia sind im gleichen Zeitraum 9.599 Menschen an Corona gestorben, rund ein Sechzigstel der oben erwähnten Zahl. Es war also über sechzig Mal so wahrscheinlich an etwas anderem zu sterben als an Corona.

Aktuell ist die Gefahr durch Corona das Leben zu verlieren noch niedriger, denn die meisten Corona-Toten waren im April und Mai zu beklagen. Wenn Sie gestern im Supermarkt gerade mal Ihre Maske vergessen hatten, dann muss das nicht Ihr letzter Einkauf gewesen sein, zumindest nicht aus gesundheitlichen Gründen.

 


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2 Comments
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Trebon
3 years ago

Hr. Mutschler das ist ganz einfach. Das kann man gar nicht berechnen weil die Werte nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein können. Eine Infizierung ohne Symptome ist von falsch positiv nicht zu unterscheiden und falsch negativ wird mit Sicherheit nicht kommuniziert. Dann sind die Symptome mehrdeutig und lassen… Read more »

Wilfried Mutschler
3 years ago

Ich habe versucht, die Berechnung nachzuvollziehen, komme aber nicht weiter bzw. zu anderen Ergebnissen. Wäre einer der Leser bereit, mir die Berechnung Rechenschritt für Rechenschritt zu erklären?