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Rettung aus Seenot
Der Notruf
In der Luft- und Seefahrt wird ein standardisierter Funkspruch benutzt, durch den ein Kapitän mitteilt, dass es an Bord Probleme gibt, dass der sichere Betrieb des Fahrzeugs gestört ist, dass aber keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht. Dieses Signal wird durch die dreimalige Wiederholung der Silben „Pan Pan“ gesendet. Von den Empfängern der Nachricht wird zwar keine Hilfe erwartet, aber sie werden darauf vorbereitet, dass es noch schlimmer kommen könnte.
Den ersten Pan-Pan-Ruf des Königs empfing ich im August 2012 nach knapp zwei Jahren Funkstille im Anschluss an mein Ausscheiden aus Grillos Beirat. Er jammerte über die bedrohliche finanzielle Lage der Firma und die Ungeduld der Banken. Man hatte ihn intensiv gedrängt zu verkaufen.
Der König klagte, dass der Prinz, kaum das Ruder in der Hand, sich jegliche Einmischung in seine Geschäftsführung verbat. Mit seinen abwegigen Entscheidungen trieb er die Firma nun aktiv in Richtung Ruin. Auch Belegschaft und Betriebsrat hätten den König auf unhaltbare Zustände in der Firma angesprochen und sein Eingreifen gefordert.
Er machte sich schwere Vorwürfe, dass er sich von seinem ursprünglichen Plan hatte abbringen lassen: Eigentlich wollte er die Firma dem Prinzen erst später übergeben, wenn der vierzig wäre und er selbst Anfang siebzig. Aber Prinz und Königin hatten ihn davon abgebracht. So hatte er das Ruder schon früher aus der Hand gegeben und der Prinz hatte keine Sekunde gezögert, um zu demonstrieren, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht verdient hatte. Kann es eine noch schlimmere Enttäuschung für einen Vater geben?
Der König musste jetzt zugeben, dass ich, der Zauberer, all diese schlimmen Entwicklungen damals im Beirat prognostiziert hatte. Insbesondere hatte ich gewarnt, dass die Banken keine Gnade kennen würden und man gezwungen sein könnte, in Eile und weit unter Wert zu verkaufen.
Nach diesem Pan-Pan-Anruf des Königs fühlte ich dennoch keine Genugtuung, recht gehabt zu haben. Ich fühlte Bedauern, weil ich mit ansehen musste, wie ein Werk, in dem hundert Jahre Plackerei und Kreativität steckten, auf so erbärmliche Weise zugrunde ging.
Zwei Monaten später kam der nächste Anruf des Königs, mit neuen schlechten Nachrichten. Was konnte jetzt noch schiefgehen, wo schon fast alles verloren war? Sie werden es nicht glauben: Es gab ein Kartellverfahren gegen Grillo. Das Risiko für die Firma belief sich auf 5 Millionen, auch für die Inhaber persönlich stand eine hohe Strafe im Raume. Grillo hatte sich an gesetzwidrigen Preisabsprachen innerhalb der Branche beteiligt und die Sache war aufgeflogen.
Die Banker hatten das nicht vorhergesehen und vermutlich auch nicht vorhersehen können, aber jetzt sprangen sie im Karree. Was sollte der König tun? Ich konnte ihm nur raten, den Prinzen aus dem Geschäft zu entfernen, und zwar lieber heute als morgen. Er sollte sich entscheiden, was wichtiger war: Das Überleben der Firma oder das Ego seines Sohnes. Würde er meinem Rat folgen?
Ein paar Wochen danach klingelte das Telefon erneut. Diesmal war es allerdings nicht „Pan Pan“, sondern „Mayday“. Die Banken betrachteten die Firma jetzt als hoffnungslosen Fall. Man wollte sich nicht einmal die Mühe machen, die Bücher zu prüfen, das war die Sache nicht mehr wert. In dieser Situation auf einen Käufer zu hoffen, war natürlich auch unrealistisch. Das Ende war nah.
Für die kommende Woche war eine Bankenrunde anberaumt, in der es um alles ging, wo der Stab über Grillo gebrochen würde. Konnte der Zauberer helfen?
Stolz und Verzweiflung
Zweifel entstehen, wenn uns die Information fehlt, um eine gute Entscheidung zu treffen. Das kann dann ein Anlass für uns sein, unsere Gedanken zu ordnen oder unser Wissen zu erweitern. Zweifel sind nichts Schlechtes, so wie auch Hunger nichts Schlechtes ist. Er ist ein Impuls, der uns antreibt, Essbares zu finden. Zuviel Hunger allerdings kann dazu führen, dass wir ver-hungern, und zu viele Zweifel lassen uns ver-zweifeln.
Verzweiflung aber ist ein destruktiver Zustand, in dem wir überzeugt sind, dass es nicht an Wissen fehlt, um die beste Alternative zu wählen, sondern dass alle verfügbaren Alternativen ins Verderben führen. Unsere Situation erscheint ausweglos. In dieser Verfassung – egal ob sie auf objektiven Fakten basiert oder nur auf unseren Vorstellungen – setzt ein körperlicher und mentaler Verfall ein, der tödlich enden kann. Verzweiflung kann einen Menschen vernichten.
Ich hatte ihn kaum erkannt. Der einzelne Mann, der am Tisch in dem eleganten Restaurant saß, war mehr als ein Abbild der Hoffnungslosigkeit, er war deren Verkörperung. Der König war am Ende. All die Zweifel, die er bei der Übergabe des Unternehmens an den Prinzen hegte, hatten die vergangenen zwei Jahre an ihm gefressen. Die bösen Geister aus seinen schlimmsten Albträumen, sie waren jetzt gekommen, um bei ihm zu bleiben. Nur noch ein Wunder konnte ihn retten. So hatte er also allen Stolz abgelegt und nach dem Zauberer gerufen – und ich war tatsächlich gekommen.
Hatte ich denn keinen Stolz? Schließlich hatte ich doch Grillo damals aus der Krise geholt, aus einem unstabilen Break-even hatte ich die Firma in die solide Gewinnzone geführt. Die Eigner waren zufrieden und die Banken auch. Hat man mir Dank gezeigt? Das Gegenteil hat man mir gezeigt: die Haustür. Man hat den Mohren wissen lassen, dass er seine Schuldigkeit getan hatte.
Wie also war es um meinen Stolz bestellt? Ich könnte jetzt eine einfache, praktische Antwort geben, mit der Sie, lieber Leser, vielleicht zufrieden wären, die Sie vielleicht sogar erwarten: „In meiner Branche kann man es sich nicht leisten, Stolz zu zeigen. Das wäre höchst unprofessionell.“ Diese Antwort ist mir aber zu oberflächlich. Ich gehe etwas mehr in die Tiefe.
Stolz ist das Schutzschild für unsere Lebenslügen. Welche Lebenslüge hätte ich vor Familie Grillo zu verbergen gehabt? Mir fällt keine ein, daher brauchte ich auch kein Schutzschild. Ich war nicht stolz, ich war nur meiner selbst sicher. Daher hatte ich keine Scheu vor dem König.
Natürlich witterte ich in dem Gespräch auch die Chance für einen neuerlichen Auftrag. Für mich als Freiberufler war das ein wichtiger Punkt. Dennoch, ich sage Ihnen, ich hätte mich mit dem König auch getroffen, wenn ich nichts zu erwarten gehabt hätte. Mit dem Bruder ebenfalls. Mit dem Prinzen wohl eher nicht, das wäre verlorene Zeit gewesen.
Der Offenbarungseid
Wir hatten für unser Treffen – unter vier Augen – eine Lokalität gewählt, wo wir beide anonym waren. Da saß er nun, der halbe König, den ich damals so oft bei seinen Streitereien, seinen Zweifeln, seinen feigen Kompromissen und kleinen Gaunereien beobachtet hatte, und er tat mir leid.
Der Hilferuf als solcher war ja schon die Einleitung zu seinem Offenbarungseid gewesen. Was er mir nun eröffnen würde, waren die harten Fakten: Die Firma stand vor dem Konkurs. Würde sie abgewickelt, dann müssten die Banken einen zweistelligen Millionenbetrag abschreiben.
Den Verlust der Firma – und die Sorgen der Bank –hätte der König noch verkraftet. Was er nicht wegstecken konnte, war die Tatsache, dass die Familie im Falle einer Insolvenz mit einer ähnlichen Summe in der Kreide stünde. Man schuldete der Firma, dank großzügiger Entnahmen, einen achtstelligen Betrag. Ein potenzieller Konkursverwalter würde sich natürlich früher oder später bei den Schuldnern des Objektes seiner Obhut melden.
Die Furcht, dass auch die Familie ruiniert wäre, so beichtete mir der König, diese Sorge war stärker gewesen als sein Stolz. So hat er dann den Gang nach Canossa angetreten, um letzte Hilfe bei mir zu suchen. Anderenfalls hätte ich nie von ihm gehört.
Bei der Gelegenheit ließ sich der König sogar zu einem verhaltenen Kompliment hinreißen: Er hätte mich ja über Jahre kennengelernt und wüsste um meine Fähigkeiten und Begabungen.
Ich versprach ihm meine Hilfe und betonte, dass Eile geboten sei.
Der Plan
Die nächsten Schritte werde ich in meiner Beschreibung mit konkretem Datum versehen. Vielleicht interessiert Sie nun gar nicht, ob ein Treffen damals an einem Mittwoch oder einem Freitag war. Das erwarte ich auch nicht, aber es ist spannend zu sehen, mit welchem Tempo die Dinge damals vorangehen mussten. Dafür liefere ich Ihnen die Zeitachse mit.
Bevor man aktiv wird, sollte man einen Plan haben, und bevor man planen kann, braucht man ein Ziel. Das habe ich mir damals folgendermaßen formuliert: In absehbarer Zeit ist das Unternehmen entweder verkauft oder es operiert so profitabel, dass die Verbindlichkeiten bei den Banken getilgt werden können. Dabei sollen so viele Arbeitsplätze wie möglich erhalten bleiben und der CRO sowie andere am Prozess beteiligte externe Fachleute die vereinbarten Honorare in voller Höhe erhalten.
Als „absehbare Zeit“ hatte ich fünf Jahre angesetzt, das oben beschriebene Ergebnis sollte also spätestens Ende 2017 erreicht sein.
Natürlich kann man die Rechnung nicht ohne den Wirt machen, aber es ist nützlich, wenn man den Auftraggebern eine Nasenlänge voraus ist und als Einziger ein vernünftiges Konzept vorlegen kann. Dann brauchen die anderen das ihre nicht zu verteidigen.
Die Grundzüge meines Plans hatte ich nach dem Vieraugengespräch mit dem König am 24.11.2012 entworfen. Ich diskutierte sie am Telefon mit den beteiligten Banken, um deren prinzipielles Einverständnis ich nicht zu ringen brauchte. Ich hatte es da mit Profis zu tun, die mich außerdem schon kannten und mir vertrauten.
Dann kam der vielleicht heiklere Teil, nämlich die Zustimmung der Familie. Zwar blieb der wenig anderes übrig, als meinen Vorschlag anzunehmen, nachdem die Banken ihn abgenickt hatten, aber sie konnten die Sache kompliziert machen. Dass seitens des Königs Einwände kämen, war nicht zu erwarten, er sah mich als Retter, dem er ausgeliefert war. Der Prinz aber würde vielleicht protestieren. Allerdings würde er kaum etwas Intelligentes von sich geben, vielleicht hatte ihn auch der Vater schon entsprechend eingebremst.
Das Treffen mit der Familie war dann am 2.12. mit König, Prinz plus Prinzessin, wir waren also zu viert. Es war fast die Konfiguration der Beiratssitzung, der ich ja vor gut zwei Jahren ziemlich genervt den Rücken gekehrt hatte. Es muss für die Mitglieder der Familie also ein recht peinliches Déjà vu gewesen sein. Nach Austausch entsprechend frostiger Höflichkeiten kam ich zur Sache.
Ja, ich war bereit und in der Lage, der Familie und der Firma in dieser prekären Situation zu helfen. Dazu gäbe es aber ein paar Forderungen. In diesem Zusammenhang war es nun besonders pikant, dass ich neben dem Prinzen zu sitzen gekommen war, denn meine erste und zentrale Bedingung war, dass ich ab sofort alleiniger Geschäftsführer wäre. Damit aber nicht genug, ich verlangte auch intern Weisungsbefugnis in allen Bereichen, unter anderem auch in Fertigung und Vertrieb.
Mein Nachbar am Tisch war also der Mann, dem ich gerade nicht nur die externe Leitung des Geschäftes Grillo entzog, ich war dabei, ihm auch noch die Weisungsbefugnis für seine angestammten Abteilungen wegzunehmen. Der Prinz sollte mir intern unterstellt sein. Man vereinbarte aber, dass nach außen hin der Schein gewahrt bleiben sollte. Sonst könnte es so aussehen, als sei bei Grillo der Konkursverwalter eingezogen.
Eine weitere Bedingung, die ich stellte, war, dass ich den eventuellen Verkauf der Firma managen würde, falls es denn dazu käme. Für diese Aufgaben forderte ich einen fünfjährigen Vertrag, zu den gleichen Honoraren aus meiner Tätigkeit als Interimsgeschäftsführer in den Jahren 2009 und 2010.
Es gab kaum Diskussionen mit den Mitgliedern der Familie, man fühlte sich halb einverstanden, halb überrannt und erbat sich einen Tag Bedenkzeit. Am nächsten Tag ruft der König an, die Familie würde alles akzeptieren mit Ausnahme der Laufzeit des Vertrages, die man auf vier Jahre begrenzen möchte. Welche Überlegungen dahinterstanden, war mir zwar nicht klar, ich stimmte aber zu.
Damit war ich als De-facto-Geschäftsführer und CRO bei der Grillo GmbH inthronisiert, gut eine Woche nachdem der König mir beim Abendessen sein Leid geklagt hatte. Der hatte sich ja damals vier Monate Zeit gelassen zwischen seinem ersten Pan-Pan-Anruf und dem entscheidenden Mayday Call.
Hier wird deutlich, dass ich als Zauberer eine höhere Geschwindigkeit vorlegte als die Familie. Während Prinz und König sich im zögerlichen Stop-and-go-Tempo fortbewegten, war ich mit Mach 2 unterwegs. Und während ich die Nachbrenner eingeschaltet hatte, leistete ich Arbeit in höchster Qualität. Der Klient bekam also exzellenten Gegenwert für die Honorare, die ich in Rechnung stellte.
Ja, ich verheimliche es nicht, ich bekam im Monat etwa das, was ein mittlerer Angestellter pro Jahr verdient. Wenn meine Klienten aber nach Abschluss meiner Arbeit Bilanz ziehen würden, dann könnten sie sehen, dass meine Honorare eine der besten Investitionen waren, die sie je getätigt haben. Und das war bei allen in diesem Buch beschriebenen Aufträgen so, nicht nur im Hause Grillo – der übrigens der letzte dieser Art in meiner Karriere sein sollte.
Sofortmaßnahmen am Unfallort
Was ich in diesem Buch verschwiegen habe: Ich war zu der Zeit noch bei einer anderen Firma engagiert. Wie konnte ich mich da auf eine neue und noch dazu so kritische Aufgabe einlassen? Der Job war aber in seiner letzten Phase und ich brauchte einen neuen Auftrag. Allerdings, ich muss es zugeben, es gab da ein paar Wochen, in denen ich meine Zeit zwischen beiden Firmen aufteilen musste. Da kam mir die inzwischen wieder normalisierte Beziehung zu meinem Kooperationspartner, dem Paten, gut gelegen. Als frisch gebackener Grillo-Geschäftsführer beauftragte ich ihn, zusammen mit einem kleinen Team unter meiner Anleitung den aktuellen Zustand der Firma zu analysieren.
Der Pate und seine Jungs machten sich am 5. Dezember an die Arbeit, also 48 Stunden nachdem ich von Familie Grillo engagiert worden war. Weitere zwei Tage später, Freitag, 7.12., war mein erster Arbeitstag im Werk.
Erst wenn der Retter an Bord des Schiffes geht, das Mayday gerufen hat, bekommt er ein klares Bild von dem wahren Unheil. Waren die Schilderungen über Funk zutreffend? Waren sie übertrieben oder waren sie geschönt? Ich war gespannt.
Die Prinzessin hatte mir ihr Büro überlassen, das war vielleicht nicht nur eine noble Geste, sondern auch ein Signal, dass sie wenig Lust hatte, sich auf dem kaputten Schiff noch länger aufzuhalten. Es könnte ja irgendwann unbequem werden, da war sie dann lieber zu Hause und spielte mit goldenen Kugeln, als bei rauer See ins Rettungsboot zu springen.
Um 7:00 Uhr bin ich vor Ort, wie üblich. Der König kommt um 9:00, der Prinz gar nicht. Er nimmt an diesem Vormittag auswärtige Termine wahr. Die Führungskräfte waren überrascht, mich wiederzusehen. Der Prinz hatte sie noch nicht informiert, würde aber später unsere kleine Notlüge verstreuen: „Herr Merck ist jetzt wieder für einige Zeit im Hause, um hier und da mitzuhelfen, als rechte Hand. Anschließend wird er dann in Rente gehen.“ Er sollte sich allerdings wundern, was seine rechte Hand mit ihm noch machen würde. Mit der Rente andererseits hatte er gar nicht so unrecht.
Meine erste Aufgabe an Bord war natürlich zu klären, wie viel Wasser das Schiff noch unter dem Kiel hatte, soll heißen, wie viel Geld noch in der Kasse war: 200.000 Euro. Es hätte nicht einmal gereicht, um die Gehälter der 380 Mitarbeiter im nächsten Monat zu zahlen. Der Kiel kratzte auf Grund. In diese unschöne Lage hatte der junge Kapitän das Schiff gebracht. Was konnte ich tun? Mit den Banken war ein neues Meeting für den 8. Februar vereinbart worden, da müsste ich ein überzeugendes Konzept vorstellen, wie das Schiff wieder flott kommen sollte. Bis dahin würde man uns noch über Wasser halten.
In diesen zwei Monaten musste ich einerseits die Firma am Laufen halten und andererseits Wege finden, um Kosten zu senken und die Einkünfte zu steigern. Zugegeben – mit dieser Erkenntnis bin ich noch kein Kandidat für den Nobelpreis in Ökonomie, aber wie so oft liegt der Teufel eben im Detail. Ich musste den Banken einen konkreten Navigationsplan vorlegen, auf dem ich das angeschlagene Schiff aus den Untiefen wieder in offenes Fahrwasser steuern würde.
In dem Punkt waren der Pate und ich verschiedener Meinung. Er hielt diese Option für unrealistisch. Er glaubte nicht, dass die Firma das mit eigener Kraft schaffen würde. Er war überzeugt, dass ein anderer, größerer Dampfer das Schiff Grillo auf den Haken nehmen müsste. Wie sich ein paar Jahre später herausstellte, sollte der alte Fuchs recht behalten. Für die akut anliegenden Aufgaben machte es jedoch keinen Unterschied, wie das Schicksal langfristig spielen würde.
Ich machte mich also an die Arbeit, um Einsparungspotenzial zu finden. Bei den Personalkosten gab es mehrere Posten – Boni, Gehälter der Führungskräfte, Weihnachtsgeld – an denen ich meinen gnadenlosen Rotstift sofort ansetzte. So kratzte ich runde 1,5 Millionen zusammen, das waren durchschnittlich Kürzungen von 300 Euro pro Kopf pro Monat. Die leitenden Angestellten würden natürlich mehr bluten müssen als die Arbeiter. Als ich dem Team des Paten meine Zahlen gab, meldete man Bedenken an, ob die Belegschaft das akzeptieren würde. Aber ich kannte meine Pappenheimer ja schon und war zuversichtlich, dass sie mitmachen würden – zu Recht, wie sich herausstellte.
Und nachdem die prekäre Situation der Firma in der Branche ohnehin kein Geheimnis mehr war, hatte ich auch keine Hemmungen, eine sofortige Maßnahme zur Schonung des Cashflows zu ergreifen: Die Begleichung aller unbezahlten Rechnungen wurde gestoppt. Ist der Ruf erst ruiniert …
Wie auch immer, zwei Monate harter Arbeit hatten sich gelohnt. Die Banken akzeptierten mein Konzept und ließen die Kreditlinie weiterlaufen. Das Schiff hatte wieder eine Handbreit Wasser unter dem Kiel. Allerdings war Bedingung, dass jetzt ein Treuhänder die Rechte der Eigentümer wahrnehmen würde, denn inzwischen gehörte den Banken mehr am Unternehmen als der Familie.
Das war der Stand der Dinge am 8. Februar 2013, gut zwei Monate nachdem der König mich beauftragt hatte. Aus hoffnungsloser Lage hatte ich, mit Unterstützung der Banken, das Schiff aus akuter Seenot gerettet und die Karten waren neu gemischt.
Hier noch eine Randnotiz. Bei dem erwähnten Gespräch mit den Banken am 8. Februar ging es ja ganz konkret um die Rettung der Firma, um Sein oder Nichtsein. Da gab es einiges vorzubereiten und abzustimmen. Es wird Sie vielleicht überraschen, dass der Prinz, damals vor dem Gesetz noch alleiniger Geschäftsführer, es vorzog, die beiden Wochen vor der Konferenz Urlaub zu nehmen.
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