published 18.01.2025
Bild: spd.de
Friedrich Merz hat in den „Tagesthemen“ vom 10.01.2025 die historische Parallele zu 1933 gezogen. Er sagte wörtlich: “Einmal ’33 in Deutschland reicht.” Aber weiß der Mann denn auch, was er da gesagt hat? Ich schlage vor, wir schauen uns das mal an.
Heimliche Sympathien
Eine deutsche Partei, demokratisch gewählt, wird von politischen Randalierern bei der Durchführung ihrer vom Gesetz geforderten jährlichen Hauptversammlung behindert. Man macht es den Delegierten schwierig oder unmöglich, das Tagungsgebäude zu erreichen und beleidigt sie durch Grölen und obszöne Sprüche auf Transparenten. Es wird Polizei eingesetzt, um die Störer unter Kontrolle zu bringen. Teile der Ordnungskräfte zeigen jedoch mehr oder weniger offen ihre Sympathie für die Gesetzesbrecher, sodass die polizeilichen Maßnahmen letztlich wenig effektiv sind. Die Störer wiederum nützen die Grenzen der Legalität aus, indem sie ihre Blockaden offiziell als “politische Versammlung” deklarieren, sodass später nicht rechtlich gegen sie vorgegangen werden kann.
Der Beliebtheit der Partei tun diese Angriffe jedoch keinen Abbruch, und sie erreicht bei den kommenden Wahlen über 20% der Stimmen.
Wir schreiben das Jahr 1933. Die verfolgte Partei ist die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Deren Generalversammlung hatte im März 1931 stattgefunden, die Störer trugen braune Hemden und sie waren Mitglieder der SA. Das war die sogenannte „Sturmabteilung“, die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP und ihre Aufgabe war es, politische Gegner einschüchtern, öffentliche Versammlungen zu stören und bei Wahlen für die NSDAP zu agitieren.
Das war der NSDAP aber nicht genug. Bald wird ein „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ auf den Weg gebracht, um der Regierung eine Handhabe zu geben, die SPD rückwirkend de facto zu verbieten. Das war dann im Juni 1933, ein halbes Jahr nach der Machtergreifung durch Adolf Hitler.
Nicht noch einmal
Sie sagen, all das erinnere Sie irgendwie an den AfD-Bundesparteitag vom 11. und 12. Januar 2025 in Riesa? Sie sagen, dass es dort zwar keine Braunhemden gab, aber doch den schwarzen Block, der die Straßen blockierte und die Delegierten daran hinderte, das Tagungsgebäude zu erreichen? Sie sagen, dass auch heute ein Verbot der AfD gefordert wird, so wie damals der SPD?
Aber ich bitte Sie! Wo wären denn da die Ähnlichkeiten? Erklärtes Ziel der heutigen Politik ist doch gerade der Schutz der Demokratie gegen Angriffe von Rechts. Wenn dafür etwas gröbere Aktionen nötig sind, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, so hat das deswegen doch noch längst nichts mit den Vorkommnissen aus diesem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte zu tun.
Sie sagen, eine politische Bewegung sollte weniger nach ihren vorgeblichen Zielen beurteilt werden, als nach den Mitteln, mit denen sie diese Ziele verfolgt? Aber der Zweck heiligt die Mittel! Für eine tolerante und inklusive Gesellschaft muss man eben manchmal die Fünfe gerade sein lassen, wie sollte man denn sonst die Intoleranten eliminieren? Wo gehobelt wird, da fallen Späne.
Sie sagen, dass die Regierung auch heute nach juristischen Handhaben sucht, um die AfD zu verbieten, so wie die NSDAP es damals mit der SPD getan hat? Aber das kann man doch nicht vergleichen! Die SPD war damals und ist auch heute noch eine ehrliche, demokratische Partei. Die AfD konnte zwar ihre finsteren Absichten bisher nicht ausleben, aber um sicherzustellen, dass das auch so bleibt, muss gehandelt werden, ehe es zu spät ist.
Sie sagen, unter den AfD Gegnern in Riesa gab es Leute der „Antifa“, der „Antifaschisten“. Und sie sagen, sie hätten da den historischen Satz von Ignazio Silone im Kopf:
„Wenn der Faschismus wiederkehrt,
wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus.‘
Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus.‘“
Put your Money where your Mouth is!
Nun, lieber Leser, ich gebe mich Ihren Argumenten geschlagen, Sie haben Recht. Da gibt es tatsächlich sehr peinliche Ähnlichkeiten zwischen 1933 und 2025. Aber sind das auch die Dinge, auf die Friedrich Merz bei seiner provokativen Aussage anspielt?
Lieber Herr Merz: Zeigen Sie, dass Sie es ernst meinen mit Ihrer Forderung. Sorgen Sie dafür, dass eine demokratische Opposition niemals wieder von gewalttätigen Banden bedroht wird. Sorgen Sie dafür, dass eine Partei, die den Zielen der Regierung im Wege steht, niemals wieder durch ein Verbot liquidiert wird. Und entschuldigen Sie sich bei Frau Weidel für Ihre Grobheiten.
Put your Money where your Mouth is! Nie wieder 1933.
UND HIER EIN FREUNDLICHER GESCHENK-TIPP
Sehr zu recht die Aufforderung, Taten statt Worte sprechen zu lassen, allein mir fehlt der Glaube…
Danke für den guten Artikel, Hans!