published 10.08.2024

Bild: pokedex Int‘l

 

In diesem Zeitalter der Anfeindung klassischer Technologien, wo Kernkraft und Verbrenner am Pranger stehen, hat die Förderung alternativer Energien Hochkonjunktur, egal ob machbar oder nicht, Hauptsache sie dienen einem guten Zweck. Sei es als Sühne für die Sünden des Kolonialismus, für die Rettung des Klimas oder für die Schonung unserer Ressourcen. Derartige Projekte gibt es auch – und gerade – im Bereich Luftfahrt.


Wasserstoff statt Turboprop

Projekte mit der Vorsilbe „Elektro“ haben gute Chancen gefördert zu werden, ebenso wie solche mit dem Etikett „Wasserstoff“. Wenn beide Vokabeln zusammenkommen, dann hat man das perfekte „Sesam öffne dich“ für Tresore der entsprechenden Ministerien oder Investment Banker. Und das ist nicht nur in Deutschland so. In Kalifornien hat gerade die 2020 gegründete „Universal Hydrogen“ Konkurs angemeldet, nachdem sie die von Investoren aufgebrachten 100 Millionen Dollar verbrannt hatte. Man wollte beweisen, dass Verkehrsflugzeuge mit Wasserstoff statt mit Kerosin betrieben werden können.

Dazu nahm man ein Regionalflugzeug vom Typ Bombardier Dash 8-400, mit 2000 km Reichweite und 70 Sitzen, so wie sie auch die Lufthansa früher in ihrer Flotte hatte. Die Maschine hat zwei Turboprop Triebwerke mit je 2000 PS. Eines dieser Triebwerke ersetzte man durch einen Elektromotor, der durch Brennstoffzellen mit Strom versorgt wurde. Die Brennstoffzellen wiederum wurden mit Wasserstoff gespeist, der an Bord in flüssiger Form in einem entsprechenden Tank untergebracht war. Am 2. März 2023 absorbierte die Maschine einen 15 minütigen Testflug.

Das ist eine eindrucksvolle Ingenieurs-Leistung, denn der Elektromotor samt großem Propeller dient ja nicht nur der Dekoration, er muss für den Start eine vergleichbare Leistung bringen, wie sein konventioneller Kollege auf der anderen Seite der Flugzeugrumpfs. Es muss also eine Brennstoffzelle der Megawatt-Klasse mit an Bord sein, sowie die dazugehörige Installation für die Versorgung mir Wasser- und Sauerstoff. Da muss jede Minute ca. 1kg Wasserstoff in die Brennstoffzelle gepumpt werden, das wären über 10.000 Liter bei Normaldruck, und dazu noch der zugehörige Sauerstoff, der nur ein Fünftel der Luft ausmacht. Da kann einiges schief gehen. Aber es klappte und der Gouverneur vom Staat Washington war pflichtgemäß beeindruckt, er ist ja von der demokratischen Partei. Er bezeichnete den Flug als Durchbruch in Sachen sauberer Energie.

Dennoch fand das Projekt keine weiteren Sponsoren. Die Erkenntnis war wohl, dass es im Prinzip zwar geht, aber letztlich nicht praktikabel ist. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass die Handhabung und Unterbringung der großen Mengen flüssigen Wasserstoffs im Flugzeug nicht praktikabel ist. Hätte man das auch vorher wissen können?

 

Disruptiv, aber elektrisch

In Deutschland, genauer gesagt in Bayern gibt es die Lilium GmbH für „disruptive Luftfahrttechnik“, die bereits anderthalb Milliarden Dollar von unterschiedlichen Investoren eingesammelt hat. Sie konstruiert ein Fluggerät, das von elektrischen Propellern angetrieben wird, insgesamt 36 Stück, die in die Tragflächen eingebaut sind. Sie können so geschwenkt werden, dass sie nach unten blasen und senkrechte Starts und Landungen ermöglichen. Das Gerät bietet vier oder sechs Passagieren Platz, plus Pilot. Das Design ist äußerst elegant. So weit, so gut.

Die unterschiedlichen veröffentliche technischen Daten allerdings sind etwas widersprüchlich. Die Zahlen für Flugdauer und Batterien  werden nicht so freizügig präsentiert, wie die Fotos der schicken Sitze und das futuristische Instrumentenbrett. Der kritische Faktor beim elektrisch fliegen ist ja die Kapazität der Stromquelle, in diesem Fall der Lithium-Batterie. Die ist schon im E-Auto ein Schwergewicht, erst Recht wäre sie das im Flugzeug, wo jedes Gramm eingespart werden muss. Glaubt man den Daten von Research Gate, dann hat diese Batterie eine Kapazität von 38 Kilowattstunden und wiegt 240 kg, so viel wie drei Passagiere. Deren Energie entspräche im klassischen Flieger einem Tankinhalt von 15 Litern (oder 10 kg) Flugbenzin; mit so einem Flugzeug würde kein Pilot starten. Aus den Daten, welche die Firma Lilium anbietet kann man mit etwas Optimismus eine Maximale Dauer von 45 Minuten in der Luft abschätzen.

 

Nicht am Ziel, aber am Leben

Damit ein Fluggerät nützlich ist, muss es bei jedem Wetter operieren können, insbesondere auch bei Nacht und Wolken. In der Höhe im Reiseflug ist es zwar kein Problem wenn man nichts sieht, solange man auf richtigem Kurs bleibt und sich von Bergen fern hält. Am Ziel angekommen muss das Flugzeug aber auf den Meter genau mit der richtigen Geschwindigkeit und Sinkrate auf der Piste landen. Da gibt es natürlich elektronische Hilfsmittel, und ja, auch der „Computer“ kann bei null Sicht noch landen, aber nur wenn Platz und Flugzeug die entsprechende Ausrüstung dafür haben. Aber dennoch es kann vorkommen, dass es einfach nicht geht. Was dann?

Dann muss der Pilot nach mehreren erfolglosen Anflügen am Zielflughafen woanders landen, am „Alternate“. Man ist dann zwar nicht am Ziel, aber man ist wenigstens noch am Leben. Dafür braucht der Pilot einen Plan und genügend Sprit, um den Plan auszuführen. Dazu ist er per Gesetzt verpflichtet. Er muss bei der “Air Traffic Control” vor dem Start nicht nur angeben, was sein Ziel ist, sondern auch, auf welchen „Alternate“ er ausweichen würde, falls es am Ziel nicht klappt. Deswegen muss er beim Start genügend Treibstoff an Bord haben

  • um zum geplanten Ziel zu fliegen und dort zu landen
  • um zusätzlich für 10 Prozent der oben benötigten Zeit in der Luft zu bleiben
  • um zum Alternate zu fliegen
  • um 30 Minuten lang über dem Platz zu kreisen und dann zu landen.

Für einen Flug München – Frankfurt beispielsweise, mit Alternate Nürnberg, müsste ein Airbus-Pilot also mindestens Sprit für 50 + 5 + 40 + 30 = 125 Minuten an Bord haben, obwohl vom Abheben in MUC bis zum Aufsetzen in FRA nur etwa 50 Minuten vergehen würden. Aber sicher ist sicher, und auch wenn das Risiko, dass der Sprit in der Luft ausgeht, nur 1 : 1000 wäre, es ist einmal zu viel.

 

Wofür ist Lilium die Lösung?

An den Jet von Lilium würden vermutlich geringere Anforderungen in Sachen Reserve gestellt als an einen Airbus, aber auch er muss genügend Saft an Bord haben, um bei schlechtem Wetter, eine Alternative zu haben; vermutlich wäre das der nächste wolkenfreie Helipad. Die aktuelle Version des Jet kann ca. 45 Minuten in der Luft bleiben. Bedenkt man, dass für senkrechten Start und senkrechte Landung auch einiges an Sprit verbraten wird, dann bleiben für den Reiseflug vielleicht noch 25 Minuten. Bei 200 km/h wären das im kommerziellen Einsatz maximal 80 km Entfernung zwischen Start und Ziel.

80 km im Liliium Jet fliegen statt im Auto fahren? Nur um dann ein Selfie an die Freunde schicken zu können? An manchen Orten ist das vielleicht eine Lösung: Für die Distanz Mallorca nach Menorca würde es reichen, nach Ibiza aber nur mit Rückenwind. Man hat also eine Lösung, für die noch kein Problem gefunden wurde. Die Firma arbeitet natürlich intensiv an der Verbesserung von Reichweite bzw. Flugdauer. Die Batterien sind der Engpass. Den kann man auch durch futuristisches Design der Sitze oder ein Space-Age Cockpit nicht wett machen.

Wird Lilium schließlich ein vermarktbares Produkt anbieten können? Wir wünschen den Ingenieuren und Unternehmern, dass sie die typischen vier Jahre Halbwertszeit von High-Tech Startups überleben. Der Kampf um technische Lösungen ist immer etwas Nützliches, auch wenn die Pioniere dabei in einer Sackgasse landen; auch wann man das Ergebenis auf Papier hätte berechnen können, statt die Sache zu bauen. Ihre Arbeit ist  jedenfalls wesentlich sinnvoller, als Gender-Forschung oder eine neue Rechtschreibreform.


UND HIER EIN FREUNDLICHER GESCHENK-TIPP

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7 Comments
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Detlef Alwes
1 month ago

Als ich Ende der 60er, Anfang 70er Flugzeugbau studiert hatte, hatte man bereits über Wasserstoffantriebe geforscht mit dem Ergebnis, dass das keinen Sinn macht. Die Gründe dafür will ich nicht weiter erläutern. Sie gelten auch heute noch.

Eckhard Hauptmeier
1 month ago

Danke für den guten Artikel, wieder einmal. Es ist immer wieder von Traumtänzern und Politikern mit Halbbildung (wenn überhaupt !) die Rede. Deshalb ist das, was mit mit besonderer Verbissenheit vor allem in Deutschland läuft, aber nicht zu unterschätzen : in der Politik findet sich doch nur die Spitze des… Read more »

Jonathan
1 month ago

Wenn man mit “fossiler” Energie gut verdient kann man sich allerdings ein paar Lilium Jets zulegen…

https://www.vdi-nachrichten.com/wirtschaft/unternehmen/lilium-verkauft-bis-zu-100-flugtaxis-nach-saudi-arabien/

Guenther Keller
1 month ago

Konnte man das nicht vorher wissen? Das gilt leider für alle grünen Traumtänzereien. Ob nun Energiewende, grüner Stahl, Slogans wie: “Das Netzt ist der Speicher”, freudig erregt ausgesprochen von einer Außenministerin, der auch Kobolde und Schinkenspeck sehr am Herzen liegen…. die Liste ist lang. Wenn man über Wissen verfügt, kann… Read more »

Gustl Grillenberger
1 month ago

Primär geht es um das Abgreifen von Geldern. Was mich so stört ist, dass Produkte in ihrem Kern so wenig vorteilhafte eigene “Strahlkraft” haben, dass der Fokus fast immer ausschließlich in der Stigmatisierung und Abwertung des Vorhandenen liegt : Asbest-FREI, Gluten-FREI , Öl-FREI, CO2-FREI….usw.. Teilweise auch gut so, aber funktioniert… Read more »

Gustl Grillenberger
1 month ago

Pionier der Postfliegerei – Antoine de Saint-Exupéry – formulierte vor ca. 100 Jahren sinngemäß: Ein Flugmotor muß für seine Aufgabe so einfach wie möglich konstruiert sein – nur nicht einfacher ! Heute beißen wir uns an technisch nicht sinnvoll umsetzbaren Utopien die Zähne aus, und subventionieren indirekt unsere Konkurrenz. –>… Read more »

b.schaller
1 month ago

ich kannn nur sagen: No Comment! b.schaller