published 11.01.2025
Bild: AI/EIKE
Im September 2023 wurde mit der „Bayerischen Mission Kernfusion“ das „nächste Energiezeitalter“ eingeläutet. Der Traum sei in greifbarer Nähe behauptet Wissenschaftsminister Markus Blume. Und man hat auch schon einen Standort für das künftige Fusionskraftwerk ausgemacht: Auf dem Grab des zerstörten KKW Isar 2.
Unterscheidungen
Für jemanden, der nur Deutsch spricht, für den haben Französisch und Russisch viel gemeinsam: Keines von beiden kann er verstehen. Tatsächlich aber sind die beiden Sprachen sehr unterschiedlich: Versuchen Sie mal in Paris mit Russisch durchzukommen. So ähnlich ist das auch mit Atomkraft und Kernfusion. Die meisten Menschen haben weder von dem einen noch von dem anderen eine Ahnung und so entsteht dann die Idee, dass diese zwei Verfahren zur Energiegewinnung ganz ähnlich wären. Man glaubt, die Daniel Düsentriebs bräuchten nur noch ein bisschen an ihren KKWs herumzuschrauben, und schon hätten wir die Kernfusion. Aber das wäre so, als würde man zu einem Franzosen sagen: Du sprichst Französisch? Dann verstehst du bestimmt auch Russisch.
Dazu hier etwas Aufklärung.
Wie Sie wissen, besteht die uns umgebende Materie aus Atomen, und die wiederum bestehen aus einem winzigen, aber schweren Kern, der in einen Wattebausch aus Elektronen eingepackt ist. Wenn verschiedenartige Atome zusammenkommen, dann können sich die Wattebäuschchen unterschiedlicher Herkunft so arrangieren, dass sie in eine bequemere Lage kommen, wo sie insgesamt niedrigere Energie haben. Das ist so, wie wenn sich ein Pärchen in ein bequemes Sofa fallen lässt. Die Energiedifferenz wird dann in der einen oder anderen Form an die Umwelt abgegeben. Das Sofa quietscht und die Atome geben Wärme oder Licht ab.
Die meisten Vorgänge in unserem Alltag spielen sich auf diese Weise ab: ob wir Autofahren, atmen oder am Computer tippen, überall spielen die Wattebäuschchen der Atome die zentrale Rolle.
Mit von der Partie
Bei besagten alltäglichen Vorgängen sind die Atomkerne zwar immer mit dabei, sie greifen jedoch nicht in die Geschehnisse ein. Aber auch sie treiben ihre Spielchen, wenn auch in einer ganz anderen Liga. So winzig die Kerne auch sein mögen, bestehen sie dennoch aus noch kleineren Teilchen, den Nukleonen. Davon gibt es zwei Sorten: die Protonen, die mit ihrer positiven elektrischen Ladung die negativ geladenen Wattebäuschchen festhalten, und die elektrisch neutralen Neutronen. Auch diese Nukleonen arrangieren sich nun im Kern derart, dass das ganze Gebilde den niedrigst-möglichen Energiezustand einnimmt.
Bis 1938 glaubte man nun, dass diese Gebilde unteilbar wären. Aber dann entdeckten Otto Hahn & Co, dass man gewisse Kerne, wie etwa des Schermetalls Uran, spalten kann, indem man sie von außen mit Neutronen beschießt. Es wurde auch entdeckt, dass dabei enorm viel Energie frei wird, und dass man das Ganze in einer spontanen Kettenreaktion praktisch nutzen kann. 1942 lief dann der erste Reaktor zur Demonstration dieser Reaktion, 1945 detonierten die ersten Bomben, und 1954 floss der erste Strom aus einem Kernkraftwerk, in dem Uran gespalten wurden.
Man hatte damals auch erkannt, dass nicht nur bei der Spaltung schwerer Kerne Energie frei wird, sondern auch beim Verschmelzen leichter, etwa derer von Wasserstoff. Das geschieht in großem Umfang auf der Sonne. 1952 gelang es dann, diesen Prozess auf Erden in Form der Wasserstoff-Bombe nachzuahmen. Die dabei freiwerdende Energie ist pro Atom ca. 10 Millionen mal so groß wie bei herkömmlichen Energiequellen, etwa der Verbrennung von Kohle.
150 Millionen Grad
Kann man die Fusion auch „friedlich“ nutzen? An kontrollierter Fusion wird seit sieben Jahrzehnten gearbeitet, der praktische Erfolg steht noch aus. Das Problem ist, dass sich die positiv geladen Kerne gegenseitig vehement abstoßen – wie sollen sie dann verschmelzen? . Um diese Abstoßung zu überwinden muss die Materie, die verschmelzen soll, auf extrem hohe Temperaturen erhitzt werden, sagen wir auf 150 Millionen Grad; dann haben einige Kerne ausreichend Schwung, um sich anzunähern und um, wie gewünscht, zu verschmelzen.
Bei diesen Temperaturen haben sich die Elektronen längst von den Kernen verabschiedet. Wir haben also eine Suppe von unabhängigen Kernen und Elektronen vor uns, genannt Plasma. In welchem Kochtopf soll diese „Suppe“ nun aufbewahrt werden? Kein Material hält diese Temperaturen aus! Und so hat man Gefäße entwickelt, in denen sehr starke Magnetfelder die Teilchen von den Wandungen fernhalten. Diese Gefäße haben typischerweise die Form eines Donuts, auch „Torus“ genannt. Am größten dieser Art, dem „International Thermonuclear Experimental Reactor“,kurz ITER, wird seit 2007 gebaut und für Dezember 2025, 18 Jahre später, war die erste Erzeugung eines Wasserstoff-Plasmas geplant. Dieser Termin verschiebt sich nun, um klappe 10 Jahre.
Dieser Test ist jedoch nur eine Funktionskontrolle der Technik, er dient noch keineswegs der Fusion. Solche Experimente sollen dann anschließend, hach 2035 laufen, und zwar mit einem Plasma aus Deuterium und Tritium, den schwereren Isotopen des Wasserstoffs, die zusätzlich zu einem Proton noch ein bzw. zwei Neutronen im Kern haben. Der „normale“ Wasserstoff hat nur ein Proton.
Wenn bei diesen Experimenten dann die geforderten Eckwerte für Energiegewinn und Stabilität beobachtet werden, vielleicht gegen 2045, dann ist der „Proof of Concept“ erbracht, dann hat ITER seine Schuldigkeit getan und wird stillgelegt. Es war nie geplant, dass die Maschine Strom erzeugen soll. Das wäre dann ein neues Projekt, und das würde dann noch mal ein paar Jahrzehnte dauern.
Optimismus „made in Bavaria“
Von solchen Perspektiven lässt sich das bayerische Staatsoberhaupt Dr. Markus Söder wenig beeindrucken. Er verabschiedete im September 2023 den „Masterplan Kernfusion“:
„Bayern startet die Mission Kernfusion. Wir wollen Pionier bei der Energieversorgung der Zukunft sein. … Zum ersten Mal wird Kernfusion in Bayern an neuen Lehrstühlen studierbar. Zudem errichten wir das „Bavarian Fusion Cluster“ und vernetzen Wissenschaft und Unternehmen in einer Expertenkommission. Am Ende soll ein Kernfusions-Kraftwerk entstehen. Wir geben dazu aus Bayern heraus einen Impuls mit vielen Partnern als Motor für Deutschland und Europa.“
Und der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume – ein studierter Politikwissenschaftler – sekundiert seinem Chef: „Bayern macht sich auf, einen jahrzehntelangen Traum einer nachhaltigen, sicheren und unendlichen Energieversorgung wahr werden zu lassen. Und dieser Traum ist in greifbarer Nähe – keine Frage von Jahrzehnten“.
Die bösen Erfahrungen mit dem bayerischen Elektro-Flugtaxi, der „100 Tonnen Stubenfliege“, können den Optimismus nicht schmälern, obwohl die Sache mit der Fusion so etwa um den Faktor 1000 komplizierter ist.
Im November 2024 wurde schon mal der Standort für das künftige Fusionskraftwerk reserviert: In der Nähe von Landshut, dort, wo gerade die Rohre und Pumpen von Isar2, einem der modernsten Atomkraftwerke der Welt zerstört werden. Ist das heutige Bayern tatsächlich ein Paradies für moderne Technologien?
Vor 50 Jahren
Es gibt weltweit noch eine ganze Reihe von Projekten zur Fusion, teils mit anderen Lösungsansätzen, etwa das NIF, die „National Ignition Facility“ in Livermore, Ca, die jedoch einen ganz anderen Lösungsweg verfolgt als ITER. Die beiden sind aber die weltweit größten Anlagen auf dem Gebiet.
Von großer wissenschaftlicher Bedeutung ist auch das Projekt „Wendelstein 7-X“ am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching bei München. Das ist eine Anlage, in der Plasma in einem Behälter unterschiedlicher Geometrie gefangen und erhitzt wird. Die Anlage ist nicht so gigantisch wie ITER, ihr Baubeginn war 2005.
An eben diesem historischen Ort wurde von Ministerpräsident Söder die besagte „Bayerische Mission Kernfusion“ ins Leben gerufen, und die Anlage diente auch als Kulisse für den Empfang von Frau Dr. Ursula von der Leyen im März 2024. Ob dieser Besuch und die „Experten Kommissionen“ mit ihren eleganten englischen Management-Buzzwords die Nukleonen beeindrucken, das wird sich herausstellen. Fest steht jedenfalls: „You cannot fool Nature (Richard Feynman)“ – Die Natur lässt sich nicht zum Narren halten.
In der Fusionsforschung gibt es diesen gnadenlosen Kalauer:
Frage: „Wann sind wir endlich so weit?“
Antwort: „In dreißig Jahren – und es wird immer so sein.“
30 Jahre? Ich selbst habe während meines Physikstudiums bereits vor 50 Jahren im besagten Max-Planck-Institut in Garching Vorlesungen zum Thema „Plasmaphysik“ bei Professor Ewald Fünfer gehört. Und ein Insider sagt, dass Strom aus Fusion wahrscheinlich kommt. Aber ebenso wahrscheinlich ist, dass er nicht kommt.
Und noch etwas, und das ist vermutlich das eigentliche Killer-Argument: Wenn Fusion eine realistische Chancen hätte, dann hätte sich längst Elon Musk der Sache angenommen. Aber der bleibt bei einfacheren Projekten, etwa der Besiedelung des Mars.
UND HIER EIN FREUNDLICHER GESCHENK-TIPP
Auch ich konnte schon (in den 60ern, GDR) vorsichtig – optimistische Vorlesungen hören.
Markus Söder hat schon beim Abitur das fach Physik abgewählt, Wissenschaftsminister Markus Blume hat es bis zum Vordiplon geschaft. Was kann man von solchen Menschnn erwarten.