published 29.07.2023
Bild: Vincentiu Salomon / Unsplash
Es gibt da dieses Märchen, dass wir die Temperatur der Erde kontrollieren könnten, wenn wir nur alle vom Auto aufs Lastenfahrrad umsteigen würden und wenn es im Supermarkt keine Plastiktüten mehr gäbe. Dieser Blick aufs Klima ist aber viel zu beschränkt. Ich schlage vor, wir erweitern unseren Horizont etwas; nicht nur auf andere Länder, nicht nur auf den Globus, nicht nur auf unser Sonnensystem, nein – wir schauen auf die Straße im Universum in der wir alle wohnen: die Milchstraße.
Blick über den Tellerrand
In solchen Dimensionen messen wir dann die Entfernungen nicht in Metern, sondern in der Zeit, die das Licht bräuchte, um sie zurückzulegen. Von hier zum Mond wäre das eine gute Sekunde, zur Sonne knapp zehn Minuten und an den Rand unserer Galaxie, sozusagen bis zum Straßenende, wären es zigtausend Jahre.
Außer uns wohnen hier noch 100 Milliarden Sterne – das sind gut zehn Stück pro Kopf der Erdbevölkerung. Von denen drehen jedes Jahrhundert drei oder vier total durch. Sie ziehen eine Show ab, die jeder in der Galaxie mitbekommt, ob er will oder nicht. Das Spektakel dauert vielleicht ein paar Wochen, und dann ist wieder Ruhe. Astronomen sprechen hier von einer “Supernova”.
Ein Kollaps der Struktur
Und das kommt so: Viele Sterne bestehen aus Atomkernen und Elektronen. Wenn die nur dicht genug und heiß genug zusammen kommen, dann verschmelzen die Kerne, wobei Energie frei wird. In unserer Sonne beispielsweise verschmelzen die Kerne von Wasserstoff zu Helium.
In anderen, massiveren Sternen, geht die Fusion weiter. Da überwindet die Hitze die elektrische Abstoßung zwischen den entstandenen Heliumkernen und die fusionieren dann zu Kohlenstoff oder Sauerstoff. Die dabei entstehende Energie erzeugt wiederum noch mehr Hitze, die es ermöglicht, dass noch schwerere Kerne entstehen. Das geht stufenweise weiter, bis man bei Elementen wie Eisen oder Nickel ankommt – aus denen übrigens auch das Innere unserer Erde besteht.
Dann hört die Fusion auf und es kann zu dem Punkt kommen, an dem die Schwerkraft die elektrische Abstoßung brutal überwältigt; nachdem die Materie jetzt bis zum Letzten komprimiert wurde bricht ihre innere Struktur zusammen und alles mündet im Chaos.
Im Labor kann man das – zugegebenermaßen in kleinerem Maßstab – demonstrieren, indem man beispielsweise Papier durch äußeren Druck bis zum „Gehtnichtmehr“ komprimiert. Hier das Video zu dem Experiment. Die hydraulische Presse quetscht die Blätter zunächst nur zusammen, lässt ihren inneren Aufbau aus Fasern und Bindemittel aber bestehen. Dann aber bricht diese Struktur zusammen und das Papier explodiert!
Der Stern allerdings kollabiert unter den Druck der eigenen Schwerkraft, da ist keine externe Kraft vorhanden. Er explodiert und in ein paar Wochen wird eine Energie frei, wie sie sonst in Millionen von Jahren erzeugt würde – das ist die Supernova.
Zu weit weg?
So geschehen anno 1604, als man solch ein Spektakel, genannt „Keplers Supernova“, in 20.000 Lichtjahren Entfernung beobachten konnte – sogar am helllichten Tag. Seither hat es vermutlich noch ein Dutzend dieser Ereignisse gegeben, auch wenn sie nicht so auffällig waren.
Nun haben Forscher kürzlich behauptet, dass Supernovae das Klima beeinflussen könnten, indem sie mit ihrer „kosmischen Strahlung“ in unsere Atmosphäre eindringen. Vielleicht fragen Sie sich jetzt wie das gehen soll – auf so eine riesige Entfernung. Nun, wenn obiges Ereignis damals zu sehen war, dann hatten es zumindest die Lichtteilchen, die Photonen, von dort bis zu uns geschafft. Sehen ist ja kein aktiver Vorgang. Nicht wir schauen in die Ferne, sondern die Photonen kommen aus der Ferne zu uns und lassen sich auf der Netzhaut unserer Augen nieder.
Bei solch einer wahnsinnigen Explosion werden aber nicht nur Photonen ins All geschleudert, sondern noch ganz andere Kaliber, beispielsweise Protonen, die Bausteine der Materie. Die sind fast ebenso schnell unterwegs wie Photonen, und sie bringen unvorstellbare Energien mit sich. Damit ionisieren sie unsere Atmosphäre, d.h. sie streifen Elektronen von den Luftmolekülen ab, und die entstandenen Ionen bilden für die Feuchtigkeit der Luft sehr wirkungsvolle Kondensationskeime.
Mit anderen Worten, dank dieser energiereichen Teilchen kondensiert die Luftfeuchtigkeit nun zu Wolken, die sonst nicht entstanden wären. Und diese zusätzlichen Wolken reflektieren einfallende Sonnenstrahlen fast zu 100% zurück ins All. Das hat einen kühlenden Effekt auf unsere Erde, das hilft gegen Global Warming. Je mehr Supernovae in unserer Milchstraße, desto kühler ist es.
Stimmt das?
Soweit ein paar theoretische Überlegungen; aber es wird auch über entsprechende Beobachtungen berichtet, etwa hier oder hier. Aus letzterem Artikel stammt dieses Resümee:
A high number of supernovae leads to a cold climate with a significant temperature difference between the equator and polar regions.
(Eine hohe Anzahl von Supernovae führt zu kaltem Klima mit einem erheblich höheren Temperaturunterschied zwischen Äquator und Polarregionen.)
Für das Global Warming, den angeblichen Anstieg der mittleren Erdtemperatur der letzten Jahre – sofern es so etwas überhaupt gibt – sollte man allerdings nicht kurzerhand einen Mangel an Supernovae verantwortlich machen. Dazu ist die Sache noch nicht genügend untersucht. Andererseits ist es doch wichtig zu erkennen, dass es da Einflüsse galaktischen Ausmaßes auf fas Klima gibt, gegen die irdische Maßnahmen, wie ein klimaneutrales Berlin, wenig ausrichten können.
Dieser Artikel soll aber keine Anregung für unseren Klimaminister sein, jetzt zur Mitte der Milchstraße zu reisen um dort für ein paar Milliarden Euro eine Supernova pro Monat zu bestellen.
Ich hätte da einen viel realistischeren Vorschlag: Falls das mit dem Grünen Wasserstoff aus Namibia, Chile und Dänemark nichts wird, dann holen wir uns den einfach von der Sonne, die besteht ja schließlich zu 75% daraus. Sie sagen, dass so ein Raumschiff auf dem Weg dahin zu heiß würde und dann schmilzt? Die Ministerin für Äußeres hat da eine einfache Lösung: dann fliegen wir eben nachts!
UND HIER EIN FREUNDLICHER GESCHENK-TIPP
Ein spannender Artikel! Allerdings mußte ich ihn mehrmals lesen und bin mir nicht sicher, ob ich die Kern-Aussage überhaupt verstanden habe. Als Laie versuche ich, es in eigene Worte zu fassen und bitte um Korrektur: In der Sonne gibt es eine Wasserstoff-Helium-Kernfusion. Bei kompakteren Planeten kann es Kernfusionen von größeren… Read more »
Wenn unser Erdkern aus Eisen und ähnlich schweren Atomen besteht, hätten wir dort also einen gewissen „Ruhezustand“, bei dem keine Reaktionen mehr stattfinden und keine Energie mehr erzeugt werden kann. Bei einem immer größer werdenden Druck (Beispiel im Video „Papierstapel“) erfolgt wie bei der Supernova ein Chaos, bei dem eine… Read more »
Würde dies bedeuten, dass es auf einem Planeten so lange eine Kernspaltung gibt, bis nur noch Eisen-Atome vorhanden sind und es so lange eine Kernfusion gibt, bis es ebenfalls nur noch Eisen-Atome vorhanden sind? Könnte dann solch ein „Eisen-Planet“ eine so große Schwerkraft entwickeln, dass es zu einer „Explosion“, d.h.… Read more »
hallo B262, danke, dass Sie so gründlich lesen. Planeten sind zu leicht, als das dass in ihrem Inneren Fusion stattfinden könnte. Das Eisen in der Erde war bei ihrer “Erschaffung” schon da. In Meteoriten findet man ja auch häufig Eisen. Die Hitze im Inneren der Erde kommt von radioaktiven Materialien,… Read more »
Schließlich ist die Sonne so etwas wie ein Leuchtturm. Und davon versteht sie eine Menge.
Wie immer: köstlich informativ.