published 20.01.2024
Bild: Chicago Health Magazine
Kann man tatsächlich fühlen, wie es von Jahr zu Jahr wärmer wird? Oder handelt es sich hier um den „Asch-Effekt“, der besagt, dass die Hälfte der Menschen ihre eigene Wahrnehmung verwerfen, wenn der Rest der Gruppe anderer Meinung ist? Ein Blick auf die gemessenen Temperaturen soll diese Frage beantworten. Dazu benutzen wir nicht die aus Satellitendaten berechneten Werte, sondern die langzeitigen Aufzeichnungen von Messstationen, wie sie an Flughäfen installiert sind.
Ein kalter Oktober
Bei Diskussionen über den Klimawandel hört man auch von vernünftigen Personen oft die Ansicht „Aber dass es irgendwie wärmer wird, daran besteht doch wirklich kein Zweifel.“ Dieser Satz fiel hier kürzlich in meiner südafrikanischen Heimat und veranlasste mich zu der nächstliegenden Aktion: ich holte mir die Wetterdaten der vergangenen 30 Jahre vom Flughafen Kapstadt (genannt „Matroosfontein“ in den Originaldaten) , und erstellt daraus eine Graphik.
Zur Erklärung: Nach Gewohnheit der Wetterfrösche wird gerne die Temperaturentwicklung des (willkürlich gewählten) Monats Oktober betrachtet. Man nimmt die höchste an jedem Tag gemessene Temperatur und bildet deren Mittelwert über die 31 Tage des Monats. Das Gleiche tut man mit der tiefsten und der mittleren Temperatur. So ergeben sich im betrachteten Zeitraum von 28 Jahren für jeden der 28 Monate Oktober jeweils drei Zahlen. In der Graphik sind sie rot, blau oder grau dargestellt sind.
Beispiel: 2018 hatten wir offensichtlich einen heißen Oktober mit Tageshöchsttemperaturen bei knapp 30°C, 2015 hatten wir einen „kalten“ Oktober mit Nächten um die 8°C.
Schauen wir uns die Mitteltemperatur an, so sieht man, dass auch die von Jahr zu Jahr stark fluktuiert. Eine der grauen Kurve angepasste (gepunktete) Gerade gibt eine jährliche Erwärmung von ca. 3 Hundertstel Grad wider. Diese Zahl ist aber angesichts der Schwankungen recht unsicher, und man kann bestimmt nicht daraus schließen, dass der Oktober in 100 Jahren um 3 Grad wärmer sein wird. Und ob die sensible Kapstädterin diese Hundertstel Grade Erwärmung tatsächlich gespürt hat? Das kann nur sie selbst entscheiden.
Kapstadt ist nicht die Welt
Kapstadt ist vielleicht die schönste, aber nicht die einzige Stadt der Welt, und noch dazu liegt sie auf der Südhalbkugel (also Richtung Pinguine für Minister:innen). Wie sieht es Richtung Eisbären, also auf der Nordhalbkugel aus? Im Vertrauen auf die Neutralität der Schweiz habe ich dieselben Temperaturbetrachtungen zum Flughafen Basel angestellt und bin zum gleichen Resultat gekommen.
Über die vergangenen 28 Jahre ist kein nennenswerter Trend zu erkennen. Die Steigung der angepassten Linie zeigtdrei Hundertstel Grad pro Jahr.
Wie es der Zufall will
Während ich mir diese Daten anschaue empfange ich eine E-Mail von einem freundlichen Kollegen, Herrn Josef K., und was schickt er: Die Temperaturdaten, welche die Dale-Enterprise-Station ( sie ist Bestandteil des US-Messnetzes) in Virginia über die letzten 50 Jahre aufgezeichnet hat.
Nachdem kein Monat angegeben ist wollen wir annehmen, dass es sich um die über das ganze Jahr gemittelten Temperaturen handelt. Durch die Linie wird ein Wert von 53,5° Fahrenheit = 12°C widergegeben, das wäre auch etwa Münchens Mitteltemperatur, hört sich also plausibel an. Hier ist keinerlei Trend zu erkennen! Nicht über 50 Jahre!
In den historischen Wetterdaten dieser Erde lauert also einiges an Sprengstoff. Temperaturangaben an Flughäfen sind übrigens wichtig für die Flugsicherheit. Temperatur beeinflusst Luftdichte, und diese die Tragfähigkeit der Luft und diese die nötigen Start- und Landegeschwindigkeiten von Flugzeugen. Es ist zu hoffen, dass dieses unendlich wertvolle Datenmaterial unangetastet bleibt.
Und noch etwas: Gefühle sind mit Sicherheit das richtige Thermometer, wenn es um zwischenmenschliche Dinge geht, in Sachen Klima brauchen wir aber Logik.
UND HIER EIN FREUNDLICHER GESCHENK-TIPP
Mein Vorschlag ist, für den Temperaturvergleich in Kapstadt nicht nur den Monat Oktober zu verwenden, sondern die anderen Monate zu analysieren. Oder einfach die mittlere Temperatur des ganzen Jahres (max. und min. für jeden Tag) zu verwenden. Zweck wäre, festzustellen, ob der Trend der gleiche auch für die anderen Monate… Read more »
Wie ist der Widerspruch zwischen Messdaten (die ich gleichermassen anhand anderer Messorte feststellen konnte) und dem realen Abschmelzen der Gletscher zu erklären?
Sie haben völlig Recht, Herr Lang, Danke. Muss mir die Originaldaten nochmal anschauen. Für Beasel stimmt es jedenfalls.
Das offensichtliche Abschmelzen der Gletscher hat wenig mit der Temperatur zu tun. Durch das Abschmelzen verringert sich die Masse des Gletscher, also müsste sich folgerichtig die Fließgeschwindigkeit verringern. Zur allgemeinen Überraschung hat sie sich aber in den letzten 35 Jahren erhöht und zwar nicht nur in den Alpen sondern auch… Read more »
Das konnte meines Wissens bisher niemand beantworten. Aber seit Ötzi wissen wir eines sicher: es war deutlich kälter und trotzdem war der Similaun eisfrei und gletscherlos. Die Korrelation Gletschergröße und Temperaturniveau scheint es also nicht zu geben.
Für Kapstadt ist 2009 der Tiefst- identisch zum Mittelwert und in 2019 liegt er sogar höher. Das ist mit dem von Ihnen beschriebenen Algorithmus nicht erklärbar.