published 27.03.2021

Bild: eberhard grossgasteiger / unsplash

So wie andere Errungenschaften unserer Kultur, so wird auch die Sprache ein Opfer des Zeitgeists. In williger Unterwerfung folgen Organisationen und Individuen diesem zrstörerischen Trend. Sie neigen sich vor dem Gender-Gesslerhut, in der Hoffnung, sich durch ihre Demut Ärger zu ersparen. Und es ist kein Wilhelm Tell in Sicht, um dem Spuk eine Ende zu machen.


Der Teil und das Ganze

Verständnis kommt daher, dass wir Zusammenhänge durchschauen. Dazu müssen wir zunächst wissen, was womit zusammenhängen soll. Nehmen wir beispielsweise Ihren Arzt, der eine MRT machen lässt, auf der alle Teile Ihres Knies sichtbar werden. Er sieht Bänder, Sehnen, Muskeln, Knochen, Knorpel, Adern und Nerven. Und weil er im Studium und in der Praxis gelernt hat, wie das alles zusammenhängt, erkennt er, wo das Problem liegt und wie Ihnen geholfen werden kann. Vielleicht rät er Ihnen andere Schuhe zu tragen, vielleicht empfiehlt er einen chirurgischen Eingriff.

 

Liebhaber der Weisheit

Jegliche Wissenschaft lebt davon, dass sie das Objekt ihrer Forschung in seine Teile zerlegt und dann deren Zusammenhänge beschreibt. So kann man erkennen wie das Ganze funktioniert. Diese Arbeit ist begleitet von der Schöpfung neuer Begriffe, die bislang in der Sprache nicht existierten, weil die Unterscheidungen noch nicht gemacht waren.

So beschäftigte sich im sechsten Jahrhundert vor Christus ein Wissenschaftler in Samos intensiv mit rechtwinkligen Dreiecken. Um mit sich selbst oder seinen Studenten darüber diskutieren zu können, gab er den Teilen des Dreiecks auch Namen. Er malte sie immer so auf, dass der rechte Winkel oben lag. Die Seite, darunter nannte er Hypotenuse. „Hypo“ heißt „unter“ und der Rest des Wortes „gestreckt“. Diese Seite des Dreiecks hat bekanntlich einen Zusammenhang mit den beiden anderen Seiten, den Katheten – erinnern Sie sich daran, an den Lehrsatz des Pythagoras?

 

Der Turmbau zu Babel

Solche Begriffe verwenden wir heute noch, so wie auch viele andere Fachwörter dem Griechischen entstammen. Es deutet auf die intensive und fruchtbare Denkarbeit, die damals in diesem schönen Teil der Erde betrieben wurde. Sich selbst nannte Pythagoras in aller Bescheidenheit „Liebhaber der Weisheit“, philos = Liebhaber / sophos = Weisheit. Er war also der erste „zertifizierte“ Philosoph. Zurecht wird er an der Hafeneinfahrt der Insel Samos durch ein Denkmal geehrt: nicht etwa durch eine steinerne Büste, sondern durch ein überlebensgroßes Dreieck – natürlich rechtwinklig!

Durch Semantik und Syntax, mit Worten und Sätzen können wir beliebig komplizierte Dinge beschreiben; solche die existieren, und solche die wir schaffen wollen. Wenn einem Volk dieses Werkzeug genommen wird, dann bringt es nichts mehr zu Stande. Das ist anschaulich beschrieben im Alten Testament, Kapitel Genesis, Stichwort „Turmbau zu Babel“. Ohne Sprache keine Schöpfung.

Aber Sprache ist mehr als ein Instrument der kreativen und analytischen Kommunikation. Durch sie teilen wir Gefühle und Ansichten mit unseren Nächsten. Da kommen dann nicht nur Worte und Syntax zum Einsatz, da dirigieren wir auch noch ein ganzes Orchester an non-verbaler Kommunikation: Gesten, Mimik, Tonfall, Lachen und Tränen.

 

Die Heimat der Seele

Die Sprache, in der wir unsere ersten Gefühle beschrieben und unsere ersten Unterscheidungen gemacht haben, prägt unsere Persönlichkeit für den Rest des Lebens. Wir können eine neue Sprache perfekt erlernen, sie wird aber immer „Fremd“-sprache sein. Die Muttersprache ist die Heimat der Seele.

Es ist interessant, wie Menschen in einer mehrsprachigen Umgebung Ihre Stimmung und Mimik verändern, wenn sie von einer Sprache in die andere wechseln; gut zu beobachten hier in Kapstadt, wo viele Bewohner zweisprachig, mit Englisch und Afrikaans aufgewachsen sind. Die Augen eines Buren leuchten auf, wenn er vom Englischen in seine eigene Sprache wechseln kann.

 

Die Sprache lebt

Sprache ist ein lebendiger Organismus.  Da gibt es fortlaufend spontane Veränderungen, natürliche Mutationen, die wir gerne aufnehmen, insbesondere wenn wir jung sind. Das ist gesundes, natürliches Wachstum einer sehr wertvollen Pflanze.

Es gibt aber auch externe, vorsätzliche Eingriffe, die für das „Lebewesen“ Sprache schlimme Folgen haben. Da werden Wurzeln und Äste des Gewächses beschnitten, von Personen, die unsensibel, ideologisch verblendet, oder einfach strohdumm sind.

Da gab es vor gut 20 Jahren die Rechtschreibreform. Die Sprache hat das überlebt, wenn auch mit Narben. Vielleicht war es ja ein dreistes Husarenstück der Schulbuchverlage, die damit ein gigantisches Geschäft machten. Aber wie alle Reformen der jüngeren Zeit brachte auch diese der Bevölkerung nur Nachteile und Verdummung.

Wenn ich „Mayonnaise“ schreibe, dann taucht in mir vielleicht die Frage auf, woher das Zeug kommt. Bei „Majonäse“ gibt’s kein Nachdenken, das ist das Zeug, das ich auf meine Pomfritz will – basta.

Es war sehr schlimm, dass Medien und die akademische Welt damals nicht willens oder nicht in der Lage waren, diese Rechtschreibreform zu verhindern. Wie naiv muss man sein, um zu glauben,  man könne die deutsche Sprache einfach so umstellen wie die deutschen Postleitzahlen!

Es war ein Vorgeschmack auf das, was kommen sollte.

 

Der Gesslerhut

Heute greifen die formellen und informellen Machthaber Deutschlands nicht nur in die Schreibweise ein, sondern in den Wortschatz selbst. Vokabeln, welche das Versagen der Politik offenbaren könnten, werden verboten, andere, welche eine sehr fragwürdige Ideologie rechtfertigen sollen, werden zu obligatorischen Formulierungen. Der Baum der Sprache wird zurecht gestutzt und gepfropft, so wie es für die mächtigen Kulturbarbaren Deutschlands hilfreich ist. Und die „Eliten“ aus Wirtschaft und Wissenschaft beeilen sich, ihre gehorsame Kooperation zu demonstrieren.

Genderismus wäre eine Lachnummer, würde ihm nicht untertänigst gefolgt; aber er ist zum Verlust von Freiheit geworden, weil man ihm gehorcht.

Kennen Sie den VDE? Er wurde 1893 unter dem Namen „Verband deutscher Elektrotechniker“ gegründet, und hieß so über mehr als 100 Jahre. Das geht heute nicht mehr, denn da finden wir gleich zwei böse Vokabeln: „deutsch“ und ein Maskulinum. Aber statt nun noch die „Elektrotechnikerinnen“ dran zu hängen – das wäre der Idiotie zu viel gewesen – hat man die berühmten drei Buchstaben VDE neu verwurstet: „Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V“.

Und auch die lieben Kleinen lernen schon früh, wie wichtig die Gendersprache ist. Eine  Schulübung wird dann so beschrieben: Die Schüler_innen lesen sich den Text in Paararbeit gegenseitig vor. Jede_r Schüler-in liest einmal. Dann vervollständigen die Schüler_innen in Einzelarbeit den Lückentext.

Hatten wir nicht gesagt, die Sprache sei Heimat der Seele? In diesem Kauderwelsch sollen die kleinen Seelen nun ein zu Hause finden? Was für eine Barbarei.

Das ist nur eines von einer Million von Beispielen, wie im vorauseilenden Gehorsam die Verständlichkeit auf dem Altar der Gleichberechtigung geopfert wird. Die neue Sprache ist zum Gesslerhut geworden, und man verneigt sich vor ihm, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Man befleißigt sich des „Virtue Signaling“; man demonstriert seine Fügsamkeit gegenüber dem Zeitgeist, weil man glaubt, das Verneigen sei das geringere Übel.

 

Das geringere Übel?

Wenn wir zu Ansichten oder Handlungen gezwungen werden, die unserer Vernunft widerstreben, dann verlieren wir das Vertrauen in die eigene Urteilkraft und damit die Achtung vor uns selbst. Und wenn das über Jahre anhält, dann werden wir zu willenlosen Objekten, so wie die Bürger von Altdorf, die jeden Morgen brav den Hut des Landvogts Gessler grüßten, der am Marktplatz aufgestellt war, als Symbol der habsburgischen Macht im Kanton Aargau. Erst als Wilhelm Tell dem Spuk ein Ende machte erkannten die Schweizer, welche Fesseln sie sich hatten anlegen lassen.

Man erlaubt uns heute den Begriff „Elektrotechniker“ nur noch mit Gendersternchen, weil wir anderenfalls den Tausenden von Damen unrecht täten, die alltäglich die Ansteuerung von Drehstrommotoren an Bohrtürmen reparieren oder neue Schaltschütze für Hochspannung entwickeln.

Wenn wir bei Gendersternchen etc. mitmachen, dann ist das ein Signal der Unterwerfung unter das Kuratel von Feinden der Logik und der Wahrheit. Ganz besonders infam wird die Sache dann, wenn die Unterwürfigen aufgefordert werden, ihre Wünsche bezüglich der Fesseln zu äußern, so wie hier geschildert. Da sollen Literaten angeben, welche gendergerechte Orthographie sie bevorzugen: das binnen „I“  oder das Gender-Sternchen oder welchen Schwachsinn auch immer; anders ausgedrückt, wollt ihr lieber mit Kabelbindern oder Handschellen gefesselt werden?

 

Typisch Deutsch

Sie sagen, Genderismus sei kein deutsches Problem, es gäbe heute weltweit Bewegungen zur Stärkung der Rechte von Frauen und Minderheiten, welche sich in der Sprache widerspiegeln. Das mag schon sein.

Die Geschichte zeigt aber, dass „…ismen“, die in anderen Ländern moderat auftreten, in Deutschland zur zentralen politischen Maxime werden können, der die Bürger dann gehorsam folgen. Nehmen Sie Nationalismus, Militarismus, Faschismus, Kommunismus, Rassismus, Sozialismus – all diese Ideologien gab es auch in anderen Staaten, aber bei uns wurden sie ein ums andere Mal bis zum Untergang praktiziert, ohne dass sie auf wirksame Opposition gestoßen wären.

Die Vereitelung der Wiederholung solcher Katastrophen besteht nicht darin, dass man vergangene Ismen, die uns ins Verderben gestürzt haben, mit viel Aufsehen und Propaganda verteufelt, etwa im „Kampf gegen Rechts“. Man muss jegliche neuen Ismen im Keim ersticken, bevor diese unsere Vernunft ersticken können. Das ist ein Job für jedermann.

 


 

 

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Wolf-Dieter Busch
3 years ago

In immerhin einem einzigen Punkt empfinde ich die Rechtschreibreform vor 20 Jahre als angenehm: die Regeln für „ß“ (nach gedehntem Vokal) und „ss“ (nach kurzem Vokal) wurde logischer – und es hat mein Sprachgefühl nicht negativ berührt. Eine weitere Regel habe ich verinnerlicht: Kommasetzung mehr nach Gefühl. – Den Rest… Read more »