published 08.08.2020
Bild: Kyle Fiori / Unsplash
Die Empörung über die Brutalität weißer Polizei gegen Schwarze hat in den USA und weltweit Proteste ausgelöst. Wie hätte man wohl auf die Brutalität schwarzer Polizisten reagiert? Lassen Sie uns dazu einen Blick auf aktuelle Ereignisse in Südafrika werfen, wo die Schwarzen nicht in der Minderheit sind.
Willkommen in Afrika
Wenn man vom Flughafen Kapstadt kommt fährt man unwillkürlich an einem riesigen Konglomerat von Slums vorbei, den „Cape Flats“. Hier sind die Hälfte der 4,5 Millionen Einwohner Kapstadts zu Hause. Frisch angekommene Touristen sind schockiert von dem Anblick. Sie sind erstaunt, dass dreißig Jahre nach Ende der Apartheid Schwarze noch immer in solchem Elend leben müssen.
Tatsächlich aber ist es seit der Wende kaum besser geworden. 1990 hatte das Land 40 Millionen Einwohner, heute sind es 58. Während die weiße Bevölkerung bei etwa 4 Mio. konstant geblieben ist, wuchs der nichtweiße Anteil von 36 auf 54 Mio. Dieser Zuwachs wurde auch durch Immigration aus Nachbarländern, insbesondere Zimbabwe, Malawi und Nigeria verursacht. Die Regierungspartei, der African National Congress, will den weißen Anteil der Bevölkerung mit allen Mitteln senken, und so hat man Tür und Tor zu den Nachbarländern weit geöffnet.
Diese Zuwanderung verewigt die Slums: wenn eine Familie die Townships (=Slums) verlässt um in ein steinernes, von der Regierung gestelltes Haus zu ziehen, dann stehen schon Immigranten Schlange, um den leeren Platz im Slum zu besetzen.
Unvorstellbar
Mit der Immigration hat die Kriminalität weiter zugenommen. Glaubhafte, offizielle Statistiken gibt es auch hier nicht; angeblich werden in den Cape Flats täglich acht Menschen ermordet, in ganz Südafrika sollen es fünfzig sein.
Eindrucksvoller als die Zahlen sind Schilderungen der Betroffenen. Vor ein paar Jahren befragte die „Cape Times“ Schulkinder aus den Slums über die Verhältnisse bei ihnen zu Hause. Hier ein Ausschnitt aus dem Bericht:
„Siebenundneunzig Prozent der befragten Kinder gaben an, Schüsse gehört zu haben, fast die Hälfte hatte die Leiche eines Fremden gesehen und fast ebenso viele die Leiche eines Verwandten oder von jemandem, den sie kannten und der aus unnatürlichen Gründen gestorben war. Viele hatten gesehen, wie Menschen erschossen oder erstochen wurden, und mehr als ein Drittel von ihnen hatte gesehen, wie jemand im eigenen Haus erschossen oder erstochen wurde. Einige waren selbst angeschossen, niedergestochen, vergewaltigt oder mit einer Schusswaffe oder einem Messer bedroht worden.“
(“Ninety-seven per cent of children surveyed reported hearing gunshots, nearly half had seen the dead body of a stranger and nearly as many the dead body of a relative, or somebody they knew, which had died from unnatural causes. Many had seen people being shot or stabbed, and more than a third of them had seen somebody shot or stabbed in their own homes. Several had themselves been shot, stabbed or raped, or had been threatened with a gun or a knife.”)
Schwarze Schicksale
Als zugewanderter Europäer kommt man manchmal indirekt mit diesem Horror in Kontakt.
Ein Freund hatte einen Gärtner, der jeweils donnerstags früh kam – außer dieses mal. Die nächste Woche erschien er wieder und erzählte, was passiert war: Als er abends nach Haus kam sah er, dass seine Haustüre verschwunden war. Er fragte in der Gegend herum, ob man etwas verdächtiges beobachtet hätte und ja, man hatte jemanden mit einer Haustüre auf dem Kopf in diese Richtung laufen sehen. Der Gärtner nahm ein paar Kumpel und man folgte der Spur des Diebes, man holte ihn ein und stellte ihn zur Rede. Der aber war wenig einsichtig und nach heftigem Dialog erschoss man ihn. Einen Menschen zu töten ist in Afrika nach wie vor die ultima ratio für die Regelung eines Streits.
Das war an einem Mittwoch. Der Gärtner hatte jetzt zwar seine Haustüre wieder, musste aber für ein paar Tage ins Gefängnis. So konnte er an jenem Donnerstag nicht zur Arbeit kommen.
Mama Africa
In meinem Haus – ich lebe seit knapp zwanzig Jahren in der Nähe Kapstadts – hatte ich eine Zugehfrau vom Typ Mammy aus „Vom Winde verweht.“ Sie hatte ein phantastisches Talent zur Improvisation und war dreisprachig: Xhosa, Afrikaans und Englisch. Sie wohnte in einem kleinen steinernen Haus mit Badezimmer und Elektrizität in einer der Townships. Ich bin nie dahinter gekommen, zu wievielt man dort lebte, aber oft die Rede von Neffen oder Enkeln, und auf jeden Fall von ihrem „Baby Boy“, ihrem Lieblingssohn.
Der war überfallen worden, man hatte ihm sein Handy weggenommen und ihm ein paar Messerstiche versetzt, die er beinahe nicht überlebt hätte. Das war aber nur eine der vielen traurigen und tragischen Geschichten, die sie aus den Townships in mein Haus brachte.
Ab Mai sah ich Mammy nicht mehr; sie konnte wegen des Lockdowns nicht kommen. Im Juni verstarb sie, Anfang fünfzig, vermutlich an ihren Herzrhythmus Störungen. Man hatte sie nicht ins Hospital gelassen, weil die Betten für eventuelle Corona Patienten frei gehalten wurden.
Dein Freund und Helfer
Die Polizei Südafrikas ist – so wie der gesamte öffentliche Dienst – fast ausschließlich schwarz. Angesichts der grassierenden Gewaltverbrechen ist sie oft zu hartem Zugreifen gezwungen und auch dazu bereit. Wenn das Gegenüber schon die Pistole in der Hand hat oder einen Eimer voller Benzin, dann bleibt wenig Raum für „De-Eskalation“.
Während der vergangenen Monate aber, bei der Durchsetzung der Corona Maßnahmen, ist sie deutlich zu weit gegangen. Die Brutalität gegen Verweigerer des Lockdowns soll angeblich mehr Menschenleben gekostet haben, als die Seuche selbst. Es gibt im Web Videos von solchen Gräueltaten, etwa wie ein junger Schwarzer ans Heck eines Polizeiautos gebunden und über die Straße geschleift wird. Warum gibt es deswegen keine Proteste?
White Crimes Matter
Vor sechzig Jahren 1960 gab es in Sharpeville bei Johannesburg ein Massaker von weißen Polizisten an schwarzen Demonstranten, welche angeblich die Polizeistation stürmen wollten. Das Ereignis erregte damals in Südafrika und weltweit Aufsehen und wird heute durch einen jährlichen Gedenktag, den „Human Rights Day“ in Erinnerung gehalten. Und das zu recht, denn während der Apartheid zählte schwarzes Leben wenig; der damalige Protest gegen Polizeiwillkür war ein wichtiger Stoß gegen das Regime, der wesentlich zu dessen Sturz beitrug. Aber wie ist es heute? Do black lives matter?
Warum führen die aktuellen Übergriffe der Polizei nicht zu Protesten? Liegt es daran, dass die Verbrechen von Schwarzen verübt werden? Könnte es sein, dass die ganze BLM Bewegung nicht nur von Sorge um das schwarze Leben, sondern auch vom Hass gegen die weißen Täter motiviert ist? Und dass dieser Hass durch eine grundsätzliche Verteufelung des weißen Mannes geschürt wird?
Ist die Trauer um den Tod von George Floyd in Minneapolis der wahre Grund dafür, dass in Deutschland Tausende auf die Straße gehen? Oder ist er ein willkommener Anlass um seine Wut auf den Erzfeind USA und seinen Präsidenten zu zeigen?
Von den Sozialisten wird behauptet, ihre Motivation sei nicht die Liebe zu den Armen, sondern der Hass auf die Reichen. Könnte hinter den aktuellen politischen Demonstrationen in Deutschland eine ähnliche Psychologie stecken?
Danke für Ihr Feedback und Ihre sehr komplizierte Frage. Das Zusammenleben von schwarz und weiss von Person zu Person – im Beruf, im Geschäft, bei Dienstleistungen – ist hier in Kapstadt meist von Höflichkeit und Humor von beiden Seiten geprägt. So habe ich es in den 20 Jahren hier erlebt.… Read more »
Teil 2: Mich interessiert ihre Meinung: Warum gestaltet sich das Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien in Afrika oder auch Arabien so schwierig. Als wenig Gereister und eher viel Lesender (also ohne Erfahrung) registriere ich, dass das Zusammenleben in den 1960-iger Jahren schon einmal besser war. Trägt auch eine schlecht gemachte Entwicklungshilfe einen… Read more »
Teil 1: Sie sind ein begnadeter Schreiber, Herr Dr. Hans Hofmann-Reinecke und sind in der Lage, die Probleme nicht nur von einer Seite aus zu betrachten. Deshalb lese ich ihre Artikel sehr gern. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit einen ähnlich gelagerten Artikel zum Leben der dunkelhäutigen Bevölkerung in… Read more »